Vorkriegsklassiker jetzt kaufen?

Quelle: Classic Trader / Christian Nikolai

Peugeot Coupe der Serie 01
Peugeot Coupe der Serie 01

Nicht zuletzt durch den demografischen Wandel hat sich der Markt für klassische Fahrzeuge in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Youngtimer der 1980er/90er Jahre haben weiter einen starken Zuspruch und entsprechenden Wertzuwachs. Vorkriegsfahrzeuge und Autos aus den frühen Nachkriegsjahren verzeichnen hingegen eine zurückgehende Nachfrage. Einer der Gründe hierfür ist sicherlich, dass viele, die an die Anschaffung eines Oldtimers denken, versuchen, einen Kindheits- oder Jugendtraum zu erfüllen.

Die Generation, die sich diesen Traum mit einem Fahrzeug aus den 50er-Jahren oder älter erfüllt hat, trennt sich aktuell aus Altersgründen eher von Ihren Klassikern, als dass sie sich einen zweiten in die Garage stellt. Wer sich den Kindheitstraum eines Automobils aus den 1930er-Jahren erfüllt hat, dürfte es inzwischen bereits vererbt haben. Die Erben – Kinder und Enkel – teilen jedoch oft die Leidenschaft des letzten, langjährigen Besitzers nicht. Dadurch sind relativ viele Fahrzeuge auf dem Markt, bei denen sich aber die Nachfrage eher in überschaubaren Grenzen hält.

Von höchstpreisigen Wagen wie Mercedes-Benz 500 K Spezial-Roadster, Horch 853 Roadster oder Duesenberg SSJ Speedster, die mit 7 oder 8-stelligen Summen bewertet sind, reden wir hier nicht. Sie bleiben normalerweise in der Familie oder finden neue Besitzer auf einer internationalen Auktion

Was aber ist mit den „Brot-und-Butter“ Autos der 20er- bis 50er-Jahre?

Eines muss jedem klar sein, der sich auf dieses Vorhaben einlässt: Vergessen Sie Begriffe wie „Wertzuwachs“, “Wertanlage“, “Garagengold” (übrigens ein furchtbares Wort!) und sogar „gesuchtes Sammlerobjekt“. Im Gegenzug ist dafür aber aktuell die Gelegenheit günstig, sich ein Fahrzeug zu kaufen, das nicht an jeder Ecke steht. Das Angebot groß ist, überzogener Wertzuwachs bis auf Weiteres gestoppt und das Preisgefüge hat sich ziemlich stabilisiert.

Peugeot Typ 177 mit Spezialkarosserie
Peugeot Typ 177 mit Spezialkarosserie

Ein Vorkriegsklassiker, der nicht aus exquisiter Manufaktur stammt, von dem mehr, als nur eine Handvoll produziert wurden und der obendrein noch ansehnlich, original und fahrbereit sein soll, verursacht bei Anschaffung und Unterhalt Kosten, die nicht zwingend als “verzinsliche Geldanlage” betrachtet werden dürfen.

Es handelt sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – um Gewinn an Lebensqualität und einen persönlichen Beitrag zur Erhaltung von automobilem Kulturgut, an dem man viel Freude haben kann. „Will ich das?“ sollte also die erste, alles entscheidende Frage vor dem Kauf sein. Beantwortet man diese Frage mit „JA“, kann die Suche losgehen. …wonach genau, muss dann ebenfalls wieder neu entschieden werden.

Peugeot 401 der este Serie
Peugeot 401 der este Serie

Bei Vorkriegsfahrzeugen ist die Ersatzteilversorgung oft ein Problem, das fast nur über Clubs gehandelt werden kann. Bei deutschen Herstellern muß erschwerend berücksichtigt werden, dass große Teile der Archive, Produktionsanlage und Ersatzteillager den Bombenangriffen des zweiten Weltkriegs zum Opfer fielen. Dennoch kann man aber davon ausgehen, dass auch ein Vorkriegsfahrzeug von einem heute noch existenten Hersteller weniger Probleme bereitet, als ein Fahrzeug von einer längst verschwundenen Marke.

Gute Beispiele hierfür sind die in großer Serie hergestellten Fahrzeuge von Peugeot – also die Baureihen 201, 301, 401, 202, 302 sowie 402. Für Einsteiger in die Vorkriegsszene empfiehlt sich die Suche nach einem „fertigen“ – also restaurierten und fahrbereiten Fahrzeug, wie z.B. einem Typ 301. Diese Fahrzeuge sind einerseits noch in größeren Mengen verfügbar und über die Clubs vor allem in Frankreich gut betreut, andererseits auch so relativ gut motorisiert, dass man sich damit in den heutigen Strassenverkehr wagen und “mitschwimmen” kann.

Peugeot Typ 201
Peugeot Typ 201
Peugeot 301 Langchassis
Peugeot 301 Langchassis
Peugeot 401
Peugeot 401

Hat man das passende Fahrzeug gefunden, gilt der erste Blick der Vollständigkeit, Originalität und dem Baujahr entsprechenden Korrektheit aller Anbauteile und Komponenten. Außerdem sollte die Historie der Fahrzeuge möglichst komplett sein, was sich in der Praxis aber oft schwierig gestaltet.

Selbstverständlich müssen auch die üblichen Verdächtigen geprüft werden: Ist der Rahmen gerade und nicht durchgerostet? Springt der Motor an, verliert er Öl, sind die Bremsen in Ordnung?

Ist die Karosserie verbaut, mit das Auto das Werk verlassen hat? Hilfreiche Informationen findet man auf den einschlägigen Seiten der Clubs im Internet. Eine nachträglich zum Roadster umgebaute Berline oder Limousine ist nämlich deutlich weniger wert, als ein originaler Roadster oder ein Cabrio.

Hat ein Vorkriegsklassiker bis heute überlebt, wurde er nicht immer nur gepflegt und gehegt. Häufig wurden die Autos jahrelang auf Bauernhöfen oder in Firmen “aufgebraucht“ und mit allem Möglichen am Leben und Fahren gehalten. Lief der Motor dann endgültig nicht mehr, wurde er in einer Scheune abgestellt und oft endgültig vergessen. Als die ersten Oldtimer-Freaks in den späten 60ern auftauchten, wurde das verrostete Häufchen Elend gegen eine Kiste Bier getauscht, wieder zum Laufen zu bringen und mit der Lammfellrolle lackiert. Mit dem Wertzuwachs, der immer besser organisierten, professionelleren Szene und steigenden Nachfrage wurden diese Fahrzeuge dann zu Liebhaberstücken, erneut restauriert und fortan endlich geliebt und gepflegt.

Scheunenfund

Wie bei ausnahmslos jedem Klassiker empfiehlt sich hier – allerdings in besonderem Maße – das bessere, komplettere und originalerer Fahrzeug teurer zu kaufen, als einen Klassiker „mit Potential“, was oftmals nichts anderes bedeutet, als dass die Restarbeiten dem Besitzer zu kostspielig oder zu aufwändig geworden sind.

Bevor Sie endgültig einen Vorkriegswagen erwerben, nehmen Sie Kontakt zu einem Marken-Club auf und lesen sich in das Thema ein. Gespür für den Markt und die Preise ist unerlässlich. Informieren Sie sich über die Besonderheiten einzelner Modellvarianten und Baujahre.

Fragen Sie im Club, ob Sie einmal mit einem Fahrzeug, wie Sie es suchen fahren dürfen. Einerseits wissen Sie dann genau, ob Sie auch eines kaufen wollen und andererseits vergeigen Sie dann nicht die Probefahrt. Vorkriegsautos sind in der Handhabung eine ganz andere Geschichte, als eine 280 SL Pagode, die beim ersten Schlüsseldreh schon anspringt.

Zur Besichtigung sollten Sie immer jemanden mitnehmen, der im Thema ist – also den Typreferenten des Clubs oder einen Sachverständigen für klassische Fahrzeuge, die mit Ihnen gemeinsam auf Besichtigung und Probefahrt gehen. Kommen Sie heile und ohne Hilfe des ADAC zurück, ist die erste Hürde genommen.

Bei den Preisverhandlungen sollte man nicht strikt nach Classic Data Tabelle oder Wertentwicklungsprognosen vorgehen. Stellen Sie sich lieber die Frage, ob Sie einen Roadster suchen, oder auch mit einem Cabrio, oder sogar einer deutlich günstigen Berline (4 Fenster) bzw. Limousine (6 Fenster) leben können und vor allem: …ob Ihnen das Autos X den Preis Y wert ist und Ihnen gefällt oder nicht.

Wie schon eingangs erwähnt: Als Geldanlage dürfen Sie Vorkriegswagen von Peugeot oder einem beliebigen anderen Volumenhersteller wie Citroen, Renault, Opel oder Ford sowieso nicht betrachten.

Sind Sie fündig geworden, gilt: Fahren Sie ihn, pflegen Sie ihn und trinken mal ein Gläschen Wein auf einem Klappstuhl in der Garage vor dem Kühlergrill. Sie können dabei nicht verlieren, denn Wertverluste sind passé. Lebensqualität aber ist unbezahlbar, wenn man nicht ständig über einen möglichst hohen Gewinn beim Wiederverkauf nachdenken muss!

Ausfahrt mit dem Oldtimer