Von unserem Mitglied Hartmut Writh
Als kleiner Junge von 10 Jahren besaß ich als Spielzeug einen Bedford Kleinlaster von der Firma Dinky Toys. Ich besitze ihn noch heute!
Damals wünschte ich mir von ganzem Herzen und fortwährend „einen kleinen Lastwagen“! Dieser heftige Wunsch mündete in eine KFZ-Schlosser Lehre in der Daimler-Benz Niederlassung Hamburg und dort verbrachte ich die meiste Zeit in der LKW Abteilung. Kurz: es war eine sehr glückliche, wenn auch körperlich harte Zeit in meinem Leben.
Es gab so viel zu lernen und es waren richtig kernige Lastwagen damals! Und wir waren als Kollegen ein lustiger, professioneller und eingeschworener Haufen.
Als ausgelernter KFZ. Mechaniker wurde ich aber 1977 in die PKW Werkstatt auf den Leistungsprüfstand versetzt. Auch diese Aufgabe hatte mich begeistert. Sie war anspruchsvoll und hoch interessant.
Zu der Zeit war mein Transportmittel eine NSU Supermax. Weil ich kein Geld für ein neues Motorrad hatte. Aus Nutzenorientierung wurde über die Jahre ein Hobby. Ich restaurierte über die Jahre viele historische Motorräder und verkaufter sie auch immer wieder. Es gab nur begrenzten Platz daheim.
Deshalb wollte ich auch nie ein historisches Auto. Bis ich dann im Januar 2019 bei mobile.de die Verkaufs-Anzeige für einen Peugeot 202 UH, Baujahr 1949 fand. Es war um mich geschehen! Da war er. Der kleine Lastwagen meiner Kinderträume.
Nur dass die Formsprache des Peugeot Pickups aus dem Modelljahr 1938 um Klassen schöner ist als die des Bedfords.
Kauf und die Fertigrestaurierung mit vielen Auf und Ab, viel Eigenleistung, viel Emotionalität ist eine gesonderte Geschichte, die bereits von mir erzählt wurde.
Im Juli 2019 wurden die Hürden des TÜV Einzelgutachtens und des H-Gutachtens genommen. Und seither dürfen der Peugeot und ich überall herumfahren.
Der Peugeot wurde übrigens von meiner Frau „Jean-Luc“ getauft.
Wie gestaltet sich nun das alltägliche Benutzen und Herumfahren mit einem so charmanten 71ig-jährigen französischen Kleinst-Lastwagen?
Grundsätzlich mal als „erlebte und lebendige Geschichte“. Diesen charmanten Kleinlaster aus dem Modelljahr 1938 als „Fremdkörper“ aus einer 82 Jahre lang vergangenen Epoche mit der Straßenwelt von 2020 zu konfrontieren, erzeugt bei mir Unbehagen und würde dem Auto ebenfalls nicht gefallen.
Wie aber auf den hektischen Umlandstraßen südlich von Stuttgart eine Straßen-Atmosphäre aus den 1930igern bis 1940igern kreieren?
Ausweichen in „Zeit und Raum“! Zeitlich auszuweichen bedeutet, dass ich nur in verkehrsschwachen Tageszeiten auf öffentlichen und kleinen Landstraßen unterwegs bin. Abgelegene kleine Land- und sogenannte „Promille-Strässle“ sind zu diesen Zeiten das bevorzugte Revier des Peugeot.
Räumlich auszuweichen, heißt dass ich überwiegend auf dem dichten Netz der umliegenden Landwirtschaftswege unterwegs bin. Der Peugeot 202 UH ist ein landwirtschaftliches Fahrzeug, meine Gartengeräte liegen auf der Ladefläche und seine Türbeschriftung „FritzKraut“ weist ihn zusätzlich dementsprechend aus.
Nun zu den automobilen Pflichten und Aufgabenfeldern, die der kleine Lastwagen in seinen definierten Revieren zu erledigen hat.
Aufgabenfeld Nummer eins ist die Transportarbeit für den Betrieb meines privaten eigen Versorger Gemüsegartens, den ich spaßeshalber „FritzKraut“ genannt habe. In harmonischer Zweisamkeit fahren der Peugeot und ich über die Feldwirtschaftswege zur Gärtnerei Schweizer und holen von dort neue Pflanzen, Sträucher, Obstbäumchen und Pflanzerde.
Ein anderes Mal erklimmen wir die Anhöhe zwischen dem Aichtal und dem Neckartal um dort Feldsteine einzusammeln. Aus diesen Feldsteinen werden Beet-Begrenzungen oder ein kleiner Steingarten gebaut. Mir ist eine hohe Artenvielfalt bei „FritzKraut“ wichtig, da ich dem Insektensterben entgegenwirken will. Erste Erfolge zeigen sich. Es summt und brummt fröhlich und zunehmend im Gemüsegarten.
Ich achte sehr darauf, dass der Gemüseanbau für die Eigenversorgung komplett mit den Techniken der 1930iger und streng nach Bio-Kriterien erfolgt. Sämtliche Gartengeräte sind in ihrer Machart Stand der 1930iger und Dünger ist rein organisch. Das bedeutet, dass wir ab und zu die bekannten Misthaufen in der Region anlaufen und Anteile davon aufladen. Das „Gärtnergold“ kann übrigens höllisch schwer sein. Habe mir beim letzten Mal Aufladen eine üble Zerrung eingefangen. Der Peugeot zwinkerte mitfühlend mit dem Scheinwerfer.
„Das Ziel einer jeden anstrengenden Arbeit ist der Müßiggang!“ Dem folgend ist die zweite Hauptaufgabe des Lastwägelchens rein touristischer Natur. Überwiegend sind es vergnügliche Kurzfahrten zu Picknicks im Grünen.
Also genau wie in den 1930igern bis 50igern werden nach der anstrengenden Arbeit unter der Woche am Sonntag dann Tisch, Stühle, Flaschen mit Wein und Körbe mit leckeren Speisen auf die Ladefläche geräumt und mit fröhlich brummenden Motor ein schöner Platz im Grünen angesteuert. Das macht uns so viel Spaß, dass es regelmäßiger und fester Bestandteil unserer Freizeitaktivitäten geworden ist. Einmal haben wir zusätzlich noch ein Zelt und Feldbetten aufgeladen und haben nach dem Dinner-Picknick gleich an Ort und Stelle, einem idyllischen kleinen Bachtal, übernachtet.
Aufgabe Nummer drei ist die Landstraßen-Spazierfahrt im Ambiente der 1930iger und frühen 1950iger Jahre. Auch hier profitieren der Peugeot und ich vom großartigen und weit verzweigten Feldwegenetz und kleinen Landstraßen der Region vor der Schwäbischen Alb.
Diese Spazierfahrten führen uns über Wege und Sträßchen, die wie aus der Zeit gefallen wirken. Fahrradfahrer, Spaziergänger, Reiter und ab und zu Traktoren. Genau der Verkehr der vor und nach dem Krieg auf unseren Straßen unterwegs war. Nun ja, Pferdefuhrwerke und Ochsenkarren fehlen leider.
Alle freuen sich den Peugeot zu sehen. Seine Formsprache begeistert die Leute und seine eng zusammenstehenden Kulleraugen suggerieren ein Babyschema und so wird er stets als niedlich und nicht als störend wahrgenommen.
Wir brummen über diese Sträßchen so mit 30 bis max. 45 Km/h dahin und genießen die Straßen Idylle im Stil der 1930iger Jahre.
Aufgabe Nummer 4 sind zum Schluß sogenannte Living Historie Veranstaltungen in Freilichtmuseen. Im August 2019 waren wir im Hohenloischen Freilichtmuseum Wackershofen bei der Veranstaltung „1945 der erste Sommer im Frieden“ dabei. Meine Rolle war die des Dörflichen Mechanikers und Schlossers. Der Peugeot war das Firmenfahrzeug. Von dem örtlichen US Kommandanten hatte ich zudem für DRK Transportaufgaben und zum Transport von Lebensmitteln eine Fahrgenehmigung und Benzinbezugsscheine.
Das gesamte Dorf war authentisch belebt. Das Postamt und das Rathaus war lebendig rekonstruiert, die Familien und einquartierte Flüchtlinge belebten die Häuser und es gab eine Baustelle mit einem renitenten Wasserinstallateur, der seinem Schnüffelventil hinterher jammerte.
In meiner Freiluftwerkstatt zeigte ich die Reparatur von Kork Kupplungsscheiben und der Peugeot und ich erledigten die unterschiedlichsten Transportaufgaben von Personen und Gütern. Die Kontrollen durch die diensteifrigen G.I.s waren allerdings sehr lästig. Wie gut, dass ich immer alle geforderten Dokumente parat hatte!
Diese vier automobilen Tätigkeitsfelder als Fahrer-Auto-Team, genossen bei leichter Belastung, bereiten sowohl dem Peugeot als auch mir die allergrößte Freude. Wir beide sind eher dicke Rentner-Freunde als nur ein Fahrer und sein Oldtimer-Auto! Wir beide sorgen dafür, dass wir fit bleiben und noch möglichst lange viel Spaß mit diesen 4 Tätigkeitsfeldern haben.