Die Inspiration für die neuen Grand-Prix-Peugeots, die letztendlich als erste europäische Wagen die 500 Meilen von Indianapolis gewinnen sollten, kam nach einem Rennen, dass verloren wurde.
Peugeot hatte bis dahin bei Voiturette-Rennen mit der Rennabteilung von Lion-Peugeot großen Erfolg und galt als fast unschlagbar. Die Fahrer Georges Boillot und Jules Goux wollten aber mehr und sehnten sich danach, bei den Grand Prix Rennen, die damals vom 16-Liter-Fiat dominiert wurden, zu starten.
Beim Coupe des Voiturettes von Boulogne im Jahr 1910 wurden sie von Paul Zuccarelli auf Hispano-Suiza überraschend eindeutig geschlagen. Zuccarelli wollte auch in die GP-Klasse aufsteigen und überzeugte die Peugeot-Piloten, dass er einige Ideen hatte, die ihren Traum wahrmachen konnten.
Jules Goux, der aus einer Familie stammte, die schon seit langem für Peugeot arbeitete und der auch als Chauffeur für die Familie Peugeot tätig war, bat Robert Peugeot, Zuccarelli als Ersatz für den kurz zuvor auf der Rennstrecke von Wirwignes tödlich verunglücken Cesare Giuppone ins Rennteam aufzunehmen.
Nachdem Zuccarelli sich bei Peugeot eingearbeitet hatte, entwickelten er und seine Kollegen ihre Pläne zur Teilnahme an den Grand Prix-Rennen und präsentierten sie Robert Peugeot. Er führte ein erfolgreiches Industrieunternehmen und war nicht der Meinung, dass Rennsport für den Verkauf der Automobile unerlässlich war; trotzdem unterstützte er seine Fahrer bei ihrem Vorhaben.
Diese benötigten außerdem einen Ingenieur, der ihre Ideen zu Papier bringen konnte; da sie aus Geheimhaltungsgründen keine Hilfe innerhalb des Unternehmens anfordern konnten, wandten sie sich an den jungen Schweizer Ernest Henry.
Die Vorgaben von Robert Peugeot waren, nicht mehr als 4.000 £ pro Auto auszugeben; dabei waren die neuen Formeln der ACF einzuhalten, die maximal einen 4-Zylinder-Motor mit 7,6 Liter Hubraum (Bohrung/Hub aber nicht mehr als 110 x 200 mm) vorsahen.
Der Vorteil des dynamischen Teams, das durch Zuccarelli geführt wurde, war, dass es von jeglichem “Gepäck” frei war. Da keiner viel Erfahrung bei der Gestaltung von Serienfahrzeugen hatte, begannen sie bei der Entwicklung der Rennwagen bei Null und übernahmen neueste technische Ideen. Sie konstruierten einen Motor mit 4 Ventilen pro Zylinder, zwei obenliegenden Nockenwellen, halbkugelförmigen Brennräumen und Desmodronic-Ventil-Trieb. Später kam noch eine Trockensumpfschmierung dazu.
Inzwischen hatte sich das Vorhaben in der Firma herumgesprochen. Die etablierten Strukturen verweigerten der Gruppe jegliche Unterstützung und nannten sie „Scharlatane“. Der Gedanke, dass eine Gruppe von Amateuren ohne ausgebildeten Ingenieur die mächtigen 16 Liter – Fiats mit einem Auto, das nur einen halb so großen Motor hatte, vom Thron stoßen könnte, schien lächerlich. Und doch war es diese Scharlatane, die die legendären “Racing Peugeots von 1912-1919” produzieren sollten, die heute als Urväter der modernen Rennwagen angesehen werden.
Das erste Auto wurde 1911 gebaut und die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
Boillot’s Sieg beim Grand Prix von Frankreich 1912 folgen Erfolge beim Coupe de la Sarthe in LeMans und den 500 Meilen von Indianapolis im folgenden Jahr.
Eine Tragödie traf das Team, als bei einer Testfahrt auf der Route Nationale eine Kollision mit einem aus einer Nebenstraße ausfahrenden Heuwagen nicht vermieden werden konnte. Der Fuhrmann war angeblich taub und hörte den heranrasenden Rennwagen, der von Zuccarelli gesteuert wurde, nicht. Zuccarelli starb noch am Unfallort.
In einem Interview sagte Georges Boillot: “Die Rennwagen werden von einem kleinen Team entwickelt, dessen führende Mitglieder Ernest Henry, mein verstorbener Freund Zuccarelli, mein Begleiter Jules Goux und ich sind. Mit Zuccarelli haben wir nicht nur einen engen Freund verloren, sondern einen Ingenieur von beträchtlicher Fähigkeit. Über meinem Sieg beim Grand Prix von Amiens hängt ein schwerer Schatten, da Zuccarelli nicht hier ist, um in die Ehre mit uns teilen. Zuccarelli und ich lieferten die Grundidee für das Auto, Henry war verantwortlich für die Zeichnungen, und ihm verdanken wir die schönen Linien der Autos.” Das Team blieb auch nach dem Tod Zuccarellis zusammen und entwickelte eine
3-Liter-Voiturette sowie einen 5,6-Liter-Grand-Prix-Wagen, mit denen zahlreiche Rennen gewonnen wurden. 1913 wurde zum erfolgreichsten Jahr der „Charlatane de Peugeot“ wie sie nun respektvoll genannt wurden.
Viele betrachten die 3-Liter-Wagen als ihr Meisterwerk, da sie eine für die damalige Zeit erstaunliche Leistung von 30 PS/Liter lieferten. Ironischerweise verfolgte das Peugeot Management die Politik, die Rennwagen zu verkaufen, sobald sie ein oder zwei Rennen gelaufen hatten und ein Interessent da war. Der Markt für diese Weltmeister-Wagen war ziemlich groß und schnell wurden Kopien der Grand-Prix-Peugeots auf beiden Seiten des Atlantiks gebaut. Sunbeam aus England ging so weit, einen Wagen zu kaufen, ihn auseinanderzunehmen und jedes Teil zu kopieren.
Im Vorfeld des Grand Prix von Frankreich errangen die Peugeots einige Siege. Beim GP 1914 selbst zeigte Georges Boillot in der Niederlage gegen Lautenschlager auf Mercedes eines seiner größten Rennen.
Der Erste Weltkrieg beendete die friedliche Auseinandersetzung im Rennsport in Europa, die Rivalität der Marken ging aber zunächst in den USA weiter, wo Dario Resta und Ralph de Palma auf den Grand-Prix-Peugeot weitere Siege erzielten. Der Kriegseintritt der USA beendete auch das.
Der frühe Tod von Paul Zuccarelli und der Tod von Georges Boillot im Luftkampf an der Front in Flandern beendeten eine Rennsport-Ära bei Peugeot, die so bis heute niemals wieder kommen sollte.