Wichtige Erfindungen – die Geschichte des Scheibenwischers

Ausreichende Sicht nach vorn ist auch bei Fahrten auch bei schlechtem Wetter eine unabdingbare Voraussetzung und heute eine Selbstverständlichkeit. Das war aber nicht immer so. In den Anfangsjahren des Automobils mussten die Chauffeure mit von Regen oder Schnee undurchsichtigen Scheiben kämpfen. Das Fahren bei Regen war sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Im Gegensatz zu den davor verwendeten Kutschen, bei denen die Pferde selbst anhielten, wenn sie auf ein Hindernis stießen, war das bei Fahrzeugen unmöglich, denn entscheiden musste der Fahrer selbst. Die Erfindung von Scheibenwischern war also nur eine Frage der Zeit.

Der erste Entwurf eines Scheibenwischers wird dem polnischen Konzertpianisten Józef Hofmann zugeschrieben, der die Sache aber nicht weiterverfolgte.

Das änderte sich erst ab dem Jahr 1903, nachdem Mary Anderson (*19.2.1866 – + 27.6.1953)   sich eine Scheibenwischeranlage patentieren ließ und damit das um die Jahrhundertwende aufkommende Automobil revolutionierte. Sie war eine Frau mit vielen Talenten und als Bauunternehmerin, Winzerin und Rancherin tätig.        

Als sie im Winter 1902 die Stadt New York besuchte und in die Straßenbahn stieg, bemerkte sie, dass der Fahrer mit offener Windschutzscheibe fuhr. Aufgrund des Eisregens hätte er durch die Scheibe keine klare Sicht gehabt. Sie bemerkte auch, dass die Autofahrer bei Regen und Schnee  das Verdeck auflassen mussten, da sie durch den Regen nicht mehr richtig sehen konnten.

Mary Anderson mit Scheibenwischer

Nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt Birmingham (Alabama) skizzierte sie eine durch einen im inneren des Autos befindlichen Hebel per Hand betriebene Anlage, die die Windschutzscheibe frei hielt. Wenn der Fahrer mittels des Hebels den gefederten Schwingarm mit einem Gummiblatt in Bewegung setze, kehrte dieser von selbst wieder in die Ausgangsposition zurück.

Ein lokales Unternehmen baute ein funktionstüchtiges Modell und am 10.11.1903 wurde ein 17-jähriges US-Patent für die Scheibenwaschanlage auf ihren Namen ausgestellt.

In der Patentschrift beschreibt sie, dass »die Wischarme innerhalb der Wischzone einen gleichmäßigen Druck auf die Glasscheibe ausüben und die einzelnen Teile der Vorrichtung unabhängig voneinander arbeiten, damit der Defekt eines Bauteils nicht den Ausfall des ganzen Apparates zur Folge hat und dieses auch leichter auszutauschen ist«

Patentskizze Scheibenwischer

Um die Jahrhundertwende waren Autos allerdings noch nicht so populär wie nur einige Jahre später. Mary Anderson wurde zu Anfang von der Öffentlichkeit belächelt, da man davon ausging, dass der Scheibenwischer zu sehr beim Autofahren störte und dass er deswegen auch niemals zum Einsatz kommen würde. Das Lachen hielt nicht lange an. Schon 1913 fuhren Tausende Amerikaner mit dem Auto und die Scheibenwischeranlage von Mary Anderson gehörte zum Standard-Equipment.

Etwa zur gleichen Zeit erhielt die Firma Mills Munitions aus Birmingham ein englisches Patent dafür. Man nutzte die Erfindung des Iren J. H. Apjohn. Seine Konstruktion enthielt zwei Wischerblätter, die die Scheibe von oben bis unten wischten.

1905 meldete Heinrich von Preußen, Bruder von Kaiser Wilhelm II., als erster Deutscher ein Scheibenwischer- System zum Patent an, das am 24. März 1908 erteilt wurde. Der Scheibenwischer war ebenfalls handbetrieben.

Im Jahr 1917 erfand Charlotte Bridgwood die ersten automatischen Scheibenwischer, der aber nicht wirklich gut funktionierte. Viele Fahrer mussten sich noch immer manuell behelfen – mit einer Hand fahren und mit der anderen die Scheibenwischer bewegen.

Ebenfalls 1917 war J. R. Oishei an einem regnerischen Tag in einen Unfall zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Fahrrad verwickelt. Danach entwarf er den sogenannten „rain rubber“ – ein Hilfsmittel, das der Fahrer am Auto anbrachte, wenn es zu regnen begann. Der „Rubber“ befand sich an der Oberseite der Windschutzscheibe und musste manuell bedient werden. Oishei ließ sein Hilfsmittel patentieren und bald startete das von ihm gegründete Unternehmen Tri-Continental Corporation (später als Trico bekannt) die Massenproduktion von Scheibenwischern.

Im Jahr 1921 erfand der amerikanische Erfinder William Folberth mechanische Scheibenwischer, die durch ein Vakuum angetrieben wurden, das der Automotor erzeugte.
Das System hatte jedoch den großen Nachteil, dass bei langsamer Fahrt oder gar beim Warten an einer Ampel der Wischer sich langsam bis gar nicht mehr bewegte und somit der Fahrer von Hand kurbeln musste.
Das Unternehmen Trico, das sich nun schon profiliert hatte, kaufte 1925 Folberts Unternehmen für eine Million Dollar und begann sein Patent selbst zu verkaufen. Trotz der Nachteile wurde es noch ziemlich lange verwendet.

1926 stellte die Firma Bosch erstmals eine Apparatur vor, bei der ein Elektromotor einen Wischarm mit Gummilippe über die Autoscheibe pendeln ließ, um das Regenwasser wegzuschieben. Das System setzte sich aus Kostengründen zunächst in der Ober- und Luxusklasse durch. Brot und Butter-Autos mussten sich – wenn überhaupt, – weiterhin über von Hand betätigte „Abstreiflineale“ oder über Wischer mit mechanischem oder “Vakuum”-Antrieb begnügen. In den folgenden Jahrzehnten setzte sich der Elektromotor als Wischerantrieb weitestgehend durch, auch wenn bis in die 1960er-Jahre bei einigen Modellen die Nocken- oder Tachowelle mit einer Schaltkupplung und einem Untersetzungsgetriebe genutzt wurde.

1964 erfand Robert Kearns, Professor für Ingenieurwissenschaften an der Wayne State University, den Intervallscheibenwischer. Kearns folgte mit seiner Erfindung dem menschlichen Augenlid, das sich selbsttätig in einem Intervall von wenigen Sekunden kurz schließt und wieder öffnet. Noch bevor er 1967 das erste von über 30 Patenten erhielt, bot er die Idee der Ford Motor Company vor. Diese änderte das System jedoch leicht ab und baute ab 1969 jeigene Intervallscheibenwischanlagen, ohne Kearns am Gewinn zu beteiligen. Andere Autohersteller folgten innerhalb weniger Jahre.
Kearns strengte Klagen wegen Patentverletzung gegen Ford und 26 andere Autohersteller an, die erst Anfang der 1990er Jahre zu seinen Gunsten entscheiden wurden. Ihm wurden fast 40 Mio. $ Schadenersatz zugesprochen.

1999 führte die Robert Bosch GmbH erstmals den gelenklosen Flachbalken-Wischer (Aerotwin) auf dem Markt ein, der heute auf beinahe allen Neufahrzeugen vorgesehen ist.

Die Geschichte der Scheibenwischer ist also sicherlich abwechslungsreicher, als Sie dachten. Die Entwicklung von einfachen manuellen Wischerblättern hin zu den elektronischen Wischerblättern mit Sensoren, die wir heute benutzen, dauerte also mehr als 100 Jahre.