Peugeot während der Besatzung 1940 – 1944

In der Zeit der deutschen Besatzung kooperierten Werksleitung, Resistance und britischer Geheimdienst, um möglichst weitgehenden Widerstand zu leisten.

Im Mai 1940 wurde die SAAP (Société Anonyme des Automobiles Peugeot) von einem Management-Triumvirat geleitet: Präsident war Robert Peugeot, der von seinen Sohn Jean-Pierre Peugeot sowie Maurice Jordan als Geschäftsführer unterstützt wurde. Im Juli 1941 gab Robert Peugeot den Vorstandsvorsitz im Alter von 70 Jahren ab und übertrug ihn auf seinen Sohn Jean-Pierre.

Jean Pierre Peugeot
Jean Pierre Peugeot

Schon kurz danach – im Sommer 1940 – kam die Firma Peugeot unter die Kontrolle der deutschen Besatzer. Sie steht unter der Leitung eines Kommissars der Organisation Todt, dem Ingenieur Wilhelm Von.

Dem Unternehmen wird der Bau von zivilen Fahrzeugen verboten. Der einzige Weg, die Fabrikationsanlagen zu erhalten und die Deportation von Maschinen und Arbeitern nach Deutschland zu vermeiden ist, Fahrzeuge oder Ersatzteile für die Wehrmacht zu produzieren.

Von der Familie Peugeot ging eine geheime Anweisung an die Mitarbeiter, die Produktivität durch passiven Widerstand zu reduzieren: “Verwenden Sie alte Maschinen, organisieren Sie die Verknappung von Rohstoffen”. Hierdurch ging die Fertigungsleistung gegenüber 1939 um 80% zurück. Außerdem wurde direkt sabotiert: Große Chargen der gefertigten Teile sind aus schlechteren Legierungen gefertigt, Zylinderköpfe werden mit defekten Dichtungen ausgeliefert, Kupplungen schlecht belegt etc.

Ab März 1944 kam das Werk in die Oberhoheit von VW und Ferdinand Porsche übernahm die Leitung. Nachdem bis 1940 neben Fahrzeugen auch Teile für französische Flugzeuge produziert worden waren, sollte nun eine Teilproduktion für die neue Focke-Wulf TA 154 nach Sochaux verlegt werden. Jean-Pierre Peugeot und sein rechter Arm Maurice Jordan gehen trotz schwerer Bedenken eine strategische Partnerschaft mit der deutschen Armee ein. Nachdem das Werk jedoch Ziel alliierter Bombenangriffe wurde, erledigte sich das Problem der Flugzeugproduktion von allein

Titelblatt Motor-Kritik Anfang Mai 1939: Prof. Porsche mit Hitler
Prof. Porsche mit Hitler

Im gleichen Zeitraum ist die Special Operations Executive (SOE), der britische Geheimdienst, verantwortlich für subversive Aktion.
Er schickte einen seiner Agenten, Harry Ree, in die Region. Letzterer, dessen Pseudonym “Caesar” war, sollte den lokalen Widerstand einschließlich der Sabotage-Netzwerke zu organisieren.

Er nimmt Kontakt mit Pierre Sire auf, der den Widerstand in den Peugeot-Fabriken koordinierte. Dieser arbeitet eng mit Rodolphe Peugeot zusammen, der während der deutschen Besatzung Direktor der Aciers et Outillage Peugeot (Werkzeug- und Stahlbau) war und sich schon im Widerstand betätigte. Er hatte „Caesar“ zunächst in Verdacht, für die Gestapo zu arbeiten, wurde aber aus London durch eine Sendung der BBC mit dem vereinbarten Satz “Das Doubs-Tal ist im Sommer schön” beruhigt. Peugeot stellt „Caesar“ nun monatlich 50.000 Franc zur Finanzierung der Résistance-Operationen sowie Pässe und Fahrzeuge zur Verfügung.

Harry Ree - alias "Caesar"
Harry Ree – alias “Caesar”

Dies verhindert nicht, dass in der Nacht vom 15. bis 16. Juli 1943 fast 140 britische Bomber rund 1000 Bomben auf Sochaux werfen. Weil die Bomber durch starke deutsche Luftabwehr sehr hoch fliegen mussten, kam es im Werk allerdings nicht zu größeren Schäden. Einerseits wurden durch herrschende starke Winde die Bomben verwehte und andererseits haben die Zielerfasser vermutlich den Schornstein der Brauerei in Sochaux mit denen des Automobilwerks verwechselt.

Es werden nur die mechanische Werkstatt zerstört und die Gießerei beschädigt. Wichtigere Bereiche wie Schmieden und Stanzen sind nicht betroffen. Allerdings wurden die Wohnviertel der Stadt schwer getroffen: 400 Gebäude werden beschädigt oder zerstört, rund 1.200 Personen werden obdachlos. Es gibt 120 Tote und 250 Verletzte.

Zerstörte Peugeot Werkshallen

Im September 1943 sind Ferdinand Porsche und sein Schwiegersohn Anton Piëch in Sochaux und erklären Jean-Pierre Peugeot ohne Einzelheiten zu nennen, dass unter der Code-Nummer 1144 im Peugeot-Werk der Rumpf einer neuen Maschine herzustellen ist. Tatsächlich handelt es sich um Teile für V1-Raketen. Peugeot versucht, auf Zeit zu spielen – des Typs man habe nicht genug Personal, um sowohl den laufenden Auftrag für rund 10.000 Lkw DK 5 als auch die Raketenteile zu fertigen. Porsche droht damit, das Werk zu schließen, was tatsächlich heißt, Personal und Maschinen in Deutschland einzusetzen.

Zu dieser Zeit haben die Engländer schon Luftaufnahmen der V 1 aus Peenemünde, obwohl noch keine auf England abgeschossen war. Man ging davon aus, dass die Raketen von Abschussrampen in Nordfrankreich gestartet werden sollten. Viel mehr war nicht bekannt.

V1 vor dem Start
“V1 vor dem Start: Aus guter Deckung wird “V1” an die Abschußstelle gerollt. Der Start erfolgt durch eine Pressluftanlage. Mit Hilfe eines Fernlenkverfahrens trifft die “V1” das befohlene Ziel. Die gleichbleibend hohe Geschwindigkeit, die von keinem Feindjäger erreicht wird, erhält “V1″ von einem Raketenantrieb. Diese erste deutsche Vergeltungswaffe ist eine hervorragende Schöpfung unserer Luftrüstung.”
Quelle Bundesarchiv mit originalem Untertext

Der Peugeot-Ingenieur Cortelessi, der nach Deutschland zu Volkswagen geschickt wurde, um die Zusammenarbeit mit dem französischen Werk vorzubereiten, konnte dort die Pläne der V1 kopieren und sie durch Caesar nach London schmuggeln. Diese Informationen erlaubten der RAF die Bombardierung des Endmontagewerkes in Fallersleben und verzögerte den Einsatz der V 1 um mehrere Monate.

Jordan wiederum gelang es, den Bau der V 1- Produktionsanlagen in Sochaux zu verzögern, was dazu führte, dass die Produktion der V 1 Anfang 1944 in das Konzentrationslager Dora in den Tiercelet-Minen im Departement Meurthe-et-Moselle erfolgte.

Der lokale Widerstand bekam zusätzlich den Auftrag, durch Sabotage die militärische Produktion der Peugeot-Werke zu behindern. Rodolphe Peugeot erhält von Jean-Pierre Peugeot dazu freie Hand, obwohl man Befürchtungen hat, dass die deutsche Verwaltung mit weiteren Repressalien reagieren wird.

Peugeot Fahrzeug in militärischer Nutzung

Von Herbst 1943 bis Frühjahr 1944 werden im Werk Sochaux mehr als 14 Sabotageakte durch die Résistance verübt. Die Firmenleitung versorgt die Widerstandskämpfer mit Informationen, wie man sehr effizient sabotieren kann und stellt außerdem Geld und Fahrzeuge für die Résistancekämpfer zur Verfügung.

Trotzdem – oder gerade wegen der großen Aktivitäten – wird der Widerstand in Sochaux durch Verhaftungen durch die Gestapo stark dezimiert und „Caesar“ verletzt. Er kann jedoch in die Schweiz entkommen und überlebt den Krieg.

Peugeot Fahrzeuge in militärischer Nutzung

Im März 1944 sollten englische Geschwader wieder Angriffe auf die Fabrik in Sochaux fliegen, da man beim SOE befürchtete, dass die V 1 Produktion dorthin verlegt würde. Statt dessen organisierte Harry Ree mit der Franche-Comté-Résistance die einen Anschlag, durch den die Stromversorgung des Werkes komplett lahmgelegt wurde. Hierdurch wurde das Werk vor der totalen Vernichtung bewahrt.