Paris – Brest – Paris 1891 – Radrennen mit Automobilbeteiligung

Der folgende Artikel stammt von Bernard Derelle, einem ehemaligen Mitarbeiter der PSA-Gruppe und Mitglied von L’AVENTURE PEUGEOT. Er hat das Buch “AUTOMOBILES PEUGEOT, 1888 – 1914 – L’ECLOSION, LE VISIONNAIRE ET LES CREATEURS”, das bei Editions BDLM erschienen ist, geschrieben:
Plakat Fahrrad-Rennen Paris-Brest-Paris 1891

“Vor 130 Jahren nahm mit dem Typ 3 einer der allerersten Peugeots am Fahrrad-Rennen Paris-Brest-Paris teil.

Anlässlich des ersten großen Radrennens von Paris nach Brest und zurück über rund 1.200 Kilometer, das von Le Petit Journal im September 1891 organisiert wurde, bat Armand PEUGEOT die Organisatoren, “dass ihre Agenten gleichzeitig mit den Teilnehmern des Rennens die Vorbeifahrt eines pferdelosen Wagens, des Peugeot-Quadricycles Typ 3, kontrollieren”. Er strebte damit einen offiziellen und authentischen Beweis, dass sein Auto die Strecke Paris-Brest und zurück tatsächlich aus eigener Kraft zurückgelegt hatte, an.

Beim von Peugeot angemeldeten Fahrzeug Typ 3 handelte es sich um einen vierrädrigen Vis-à-Vis mit vier Sitzen, der mit Werkzeug, Gepäck und gefüllten Benzin- und Wassertanks etwa 500 kg wog. Angetrieben wurde er von einem Daimler-2 Zylinder-V-Motor mit Glührohrzündung und Brennerheizung, der etwa 2,5 PS leistet. Das Getriebe verfügte über vier Vorwärts- und einen Rückwärtsgang.

Am Steuer saßen der Ingenieur Louis RIGOULOT und der Mechaniker Auguste DORIOT, der Vorarbeiter der Fabrik. Sie fuhren zunächst auf eigener Achse über 460 Kilometer von Valentigney nach Paris, was nicht nur eine bemerkenswerte Leistung für die damalige Zeit, sondern auch eine wertvolle Probefahrt war, bei der viele Pannen eintraten. Die Hauptprobleme waren die Verkohlung der Brennerdochte und der niedrige Druck des Benzins, mit dem sie versorgt wurden, da der Haupttank zu niedrig angebracht war.

Rigoulot und Doriot im Typ 3

Die Fahrt begann gegen 10 Uhr Vormittags in Valentigny. Tagesetappen waren Coutrey, Bar-sur-Aube und Provins. Am frühen Nachmittag des vierten Tages fuhren die beiden tollkühnen Fahrer triumphal in die Panhard-Levassor-Werke in der Pariser Avenue d’Ivry ein, wo Armand PEUGEOT bereits wartete. Es sei daran erinnert, dass Panhard-Levassor für Frankreich die Exklusivrechte an den Daimler-Motoren besaß, mit denen die Peugeot-Fahrzeuge ausgestattet wurden. Der Typ 3 hatte die Strecke mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 13,5 km/h zurückgelegt.

Einige Tage später, nachdem der Wagen in jeder Hinsicht überprüft worden war, gingen RIGOULOT und DORIOT voller Zuversicht an den Start des Rennens Paris-Brest-Paris. Der Startschuss fiel am Sonntag, den 6. September, um 6 Uhr morgens in der Rue de Châteaudun, vor dem Gebäude des Petit Journal. Auf der gesamten 1.200 km langen Strecke war alle 100 km eine Tankmöglichkeit eingerichtet.

Die Piloten stellten fest, dass das Automobil in der Kühle des Morgens und des Abends besser lief als Mittags, wenn die Sonne den Tank erhitzte. Sie kamen dann auf die geniale Idee, den Tank mit frischen Grasbüscheln abzudecken, um die Temperatur des Benzins so niedrig wie möglich zu halten. Dadurch gelangt eder Treibstoff besser zu den Brennern und die Dochte hielten viel länger. Auf der Ebenen erreichte der Wagen eine maximale Geschwndigkeit von ca. 20 km/h; an Steigungen sah das aber deutlich anders aus. Oft muss man in den ersten Gang zurückschalten, der eine Geschwindigkeit von höchstens 4 km/h ermöglicht.

“Es kam sogar vor”, so Louis RIGOULOT, “dass bei sehr steilen Anstiegen, z. B. hinauf nach Langres, einer von uns das Auto steuerte und der andere ausstieg nd hinter dem Wagen herlief, um ihn zu stoppen, wenn der Motor ausfallen und das Auto dann zurückrollen sollte. Aber das ist nie passiert.”

Am ersten Tag legten sie die enorme Strecke von 200 km zurück! Am nächsten Tag erreichten sie den Kontrollpunkt in Saint-Brieuc ohne größeren Zwischenfall. Auf dem weiteren Weg nach Brest wurden sie jedoch durch einen schweren Differentialschaden 24 Stunden lang in Ponthou, einem kleinen Dorf 15 km von Morlaix entfernt, aufgehalten. Es erforderte viel Einfallsreichtum, den Schaden mit den rudimentären Werkzeugen des Dorfschmieds zu beheben.

Am Dienstag, dem 8. September, kamen die Autofahrer bei Tagesanbruch unter dem unbeschreiblichen Getöse einer begeisterten Menge in Brest an. Sie erreichen, nicht ohne Schwierigkeiten, über die Rue de Siam die Kontrollstelle, wo Monsieur MAGNUS, Vertreter der Firma Peugeot in Brest, auf sie wartete. Der Mittwoch war ein Rasttag mit einem Mittagessen in Le Conquet, an der äußersten Westspitze des Kontinents. Frisch gestärkt brachen sie dann am 10.9.1891 zur Rückfahrt nach Paris auf.

Zeugenaussagen von Louis RIGOULOT und Auguste DORIOT: “Entlang der gesamten Rennstrecke wurde die Bevölkerung im Voraus per Telegraf über die Vorbeifahrt der Radfahrer oder des Peugeot-Automobils informiert und in vielen Dörfern läutete ein am Ortseingang aufgestelltes Signalhorn, um die Ankunft der Teilnehmer anzukündigen. Auf diesen Ruf hin eilten alle Einwohner auf die Strasse, um die Ankömmlinge zu sehen – oft in einfachster Kleidung, denn es galt, den Augenblick zu nutzen.
So kam in der Bretagne ein tapferer Einwohner von Nonencourt, der beim Umziehen vom Klang des Horns überrascht wurde, mit einer Hose in der Hand auf den Bürgersteig, wobei er ein Bein anhatte und das andere auf dem Boden schleifte, während neben ihm eine andere neugierige Person aus einem Barbierladen kam, mit einem Handtuch um den Hals und einem Teil seines Gesichts rasiert, während Seifenschaum den Rest seines Gesichts bedeckte. Das Lachen und der Spott, der den beiden Zuschauern entgegenschlug, war unüberhörbar.
In einem anderen Dorf kamen wir an, als die Leute gerade zur Messe gingen. Wir sahen Frauen, die auf die Knie fielen und sich bekreuzigten, als wir vorbeikamen. Da die Hunde noch nicht an Autos gewöhnt waren, störten sie uns in den ersten Tagen oft. In der Nähe von Dreux besorgten wir uns eine Peitsche. Sobald dann ein Hund heranlief, reichte es, die Peitsche zu heben, um ihn in die Flucht zu schlagen. Dieses Mittel, das in vielen Ländern immer noch nützlich wäre, war für uns von großem Nutzen. Wir trafen auch auf ein Regiment von Dragonern, deren Pferde sich aufbäumten. Ein Offizier bat uns, anzuhalten und sie passieren zu lassen.”

Bei ihrer Rückkehr nach Valentigney stellten die beiden Fahrer fest, dass sie etwa 2.500 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 14,7 km/h zurückgelegt hatten. Außer dem Schaden am Differential hatte es keine nennenswerten Pannen gegeben.

Sieger des Radrennens, Charles TERRONT im "Le Petit Journal"

Zum Vergleich: Der Sieger des Radrennens, Charles TERRONT, legte die gleiche Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 16,9 km/h zurück!