Peugeot Typ 26

Das älteste in Österreich ausgelieferte, noch fahrbereite Automobil.

Der Peugeot Typ 26 aus dem Jahr 1900 mit der Chassisnummer 1532 und der Motornummer 1155 stammt aus der Sammlung des Tiroler Wissenschafters und Orientforschers Max Reisch. Seit 1953 war der Peugeot, von dem nur 419 Einheiten gebaut wurden, in seinem Besitz.

Der Schätzwert für den bei der bei der Dorotheum-Auktion am 29.8.2020 angebotenen Wagen lag zwischen 60.000 und 80.000 Euro, letztlich wurde er mit 143.000 € für mehr als das Doppelte des Estimates zugeschlagen.

Die Geschichte des Autos beginnt am 10. Oktober im Jahr 1900. Da wird der Peugeot an die Wiener Generalvertretung Ph. Brunnbauer in der Zieglergasse 53 am Neubau ausgeliefert. Wilhelm Brunnbauer war seit 1896 der erste Importeur der französischen Marke.

Erster Besitzer des Peugeots war Franz Pittner, Hotelier in Sankt Pölten und Landtagsabgeordneter in Niederösterreich. Zwar schlug Pittners Herz zeitlebens für den Trabrennsport, er war aber der erste, der in St. Pölten bei der Fortbewegung auf Pferdeantrieb verzichtete.

Ab 1906 mussten Automobile Kennzeichen tragen. Niederösterreich erhielt den Anfangsbuchstaben B, für den Bezirk St. Pölten war anfangs der Nummernkreis von 391 bis 410 reserviert. Franz Pittners Peugeot erhielt die Nummer B 393 aufgemalt, die er noch heute stolz trägt.

Franz Pittner hing an seinem ersten Automobil und behielt ihn, selbst als der Fortschritt den Peugeot schon längst überholt hatte. In den 1920er Jahren teilte sich der Typ 26 die Garage im Grand Hotel Pittner etwa mit einem Austro Daimler.

Franz Pittner verstarb im September 1929, sein Chauffeur Edi kümmerte sich aber weiterhin um den Peugeot. Zehn Jahre später brach das große Unglück über die Welt herein und praktisch alles, was vier Räder und einen Motor hatte, wurde für den Endsieg beschlagnahmt. Dass mit dem fast 40 Jahre alten Peugeot kein Krieg mehr zu gewinnen war, erkannten auch die Nationalsozialisten und so überlebte der Typ 26 auch den Zweiten Weltkrieg.

Chaffeur Edi war von der Front nicht mehr heimgekehrt und da St. Pölten in der sowjetischen Besatzungszone lag, drohte erneut Unheil, denn die Russen nahmen vieles mit, was nicht niet und nagelfest war.

Zwei Brüder, die auf den Namen Draxler hörten, witterten mit dem alten Peugeot, von dem sie glaubten, dass er aus 1893 stammte, das große Geschäft. Sie schmuggelten ihn nach Oberösterreich in die amerikanische Zone und hofften ihn dort zu gutem Geld machen zu können. Die Amerikaner aber hatten nichts übrig für derart antiquiertes Gefährt und die Einheimischen hatten bei Gott andere Sorgen. Also begannen die Brüder den Peugeot selbst herzurichten, für viel mehr als eine geschmacklos gelbe Lackierung der Rahmens reichte es aber glücklicherweise nicht. So landete der Peugeot nach einer Aufsehen erregenden Probefahrt letztlich Anfang der 1950er beim Autohändler Bungody in Linz.

Peugeot Type 26 aus dem Jahr 1900
Peugeot Typ 26 aus dem Jahr 1900

Die Kunde vom alten Peugeot hatte sich sogar in manchen Zeitungen verbreitet und so war auch Dr. Max Reisch darauf aufmerksam geworden. Er hatte Oldtimer bereits in den 1950er-Jahren als Kulturgut erkannt und zu sammeln und restaurieren begonnen.

In der Sammlung Reisch befinden sich auch Expeditionsfahrzeuge, mit denen der Automobil-Aficionado die Welt bereiste. Der in Bozen und Kufstein Aufgewachsene brach als 17-Jähriger auf einem Puch-Motorrad zur Zwölf-Pässe-Fahrt auf, per Motorrad ging es 1932 nach Nordafrika und ein Jahr später über Aleppo, Teheran und Dehli nach Bombay. Mit einem extra für ihn angefertigten Steyr 100 schaffte der Abenteurer 1935/36 gar eine Weltumrundung per Auto. Bis in die 1960er-Jahre bereiste Max Reisch mit seiner Frau Christiane den Nahen und Fernen Osten.

Die nächsten 20 Jahre wurde der Peugeot von Max Reisch immer wieder für Ausstellungen verliehen, und obwohl er noch voll einsatztüchtig war, waren die Abnützungserscheinungen Grund genug, 1972 mit einer Generalsanierung zu beginnen. Immerhin hatte der Type 26 da schon 72 Jahre auf dem Buckel.

Lange Jahre war man im Glauben, dass der Peugeot sogar noch ein Jahr älter wäre. Dass die Datierung der Brüder Draxler auf das Jahr 1893 falsch war, war keine große Übung herauszufinden. Welchen Type man aber genau gekauft hatte und aus welchem Baujahr, darüber gab erst der Austausch mit Peugeot Aufschluss. Sogar die Lieferdaten lagen noch auf, ebenso wie bestätigt wurde, dass im Fahrgestell noch der originale Motor arbeitete. Lediglich die Lackierung war wohl in frühen Jahren geändert worden, denn ab Werk war der Peugeot rot. Als er 1906 das Kennzeichen aufgemalt bekam, muss er jedenfalls schon schwarz-grün gewesen sein.

Weil die Lackierung mitsamt Kennzeichen gut erhalten war und zur Geschichte des Wagens gehörte, beschloss man, sie so weit wie nur möglich zu erhalten. Die Karosserie war mit Lösen von vier Bügeln rasch vom Chassis genommen und daheim in der eigenen Garage in Kufstein machten sich Dr. Reisch und Sohn Peter an die Arbeit am Peugeot. Drei Jahre sollte die Restaurierung letztlich dauern und jeder Schritt und jede Hürde, die es zu überspringen galt, wurde in einem Tagebuch festgehalten und oftmals mit Fotografien illustriert.

Zuerst wurde der Rahmen vom Gelb und anderen darunter liegenden Farben erlöst und wieder schwarz lackiert. Gleichzeit fertigte ein Wagnermeister den einen Kotffügel nach, der nicht mehr gut erhalten war. Die originale Tapezierung aus Pegamoid, einer Art Kunstleder, war nicht mehr zu retten. An dessen Stelle wurde das Interieur, soweit man es so nennen kann, mit braunem Leder ausgekleidet, dass Dr. Reisch von einer seiner Reisen aus Afghanistan mitgebracht hatte. Motor und Getriebe wurden, obwohl funktionstüchtig, geöffnet, gereinigt und wieder zusammengesetzt. Mehr Kopfzerbrechen bereiteten da schon die Felgen mitsamt Bereifung, die einfach nicht aufzutreiben war, und das Kühlwassersystem.

Zur Jahreshälfte 1975 endete nach über drei Jahren die Restaurierung. Die erste Ausfahrt beschreibt Dr. Reisch als wunderbares und aufregendes Gefühl. Den Triumph konnte auch ein gebrochenes Bremsgestänge nicht schmälern. Die nächsten Monate wurden noch kleine Wehwehchen ausgemerzt. Seinen größten Moment erlebte der Peugeot dann am 1. Juli 1979, als er Christiane, die Tochter von Dr. Reisch, anlässlich ihrer Vermählung zur Familienkapelle chauffieren durfte.

Die folgenden Jahrzehnte war der Peugeot immer wieder Mittelpunkt diverser Ausstellungen. 1998 übersiedelte Peter Reisch mit der Sammlung seines Vaters nach Bozen, wo der Peugeot gemeinsam mit den Expeditionsfahrzeugen und anderen Preziosen in einem kleinen und feinen Privatmuseum ein neues Zuhause fand.

Zuletzt wurden seine Auftritte seltener und nun ist der Zeitpunkt gekommen, dass ein Teil der Sammlung abgegeben wird. Der Peugeot Type 26 ist ein unglaubliches Stück Zeitgeschichte und feiert heuer seinen 120. Geburtstag. Seine Geschichte ist absolut unvergleichlich und krönt dieses einzigartige Automobil.

Quelle: Dorotheum GmbH & Co KG – 2020