Manche vermeintlich moderne Technik ist schon 100 Jahre alt!
Am 6. November 1919 sendet der Niederländer Hanso Scholtanus die erste bekannte Radiosendung; der erste kommerzielle Sender ging 1920 in Pittsburgh auf Sendung. Ebenfalls 1920 begann in Deutschland der an die Reichspost gekoppelte Rundfunk mit anfangs unregelmäßigen Sendungen, u.a. auch dem ersten Weihnachtskonzert über den Äther. Naturgemäß gab es zunächst noch sehr wenige Zuhörer an technisch verbesserungsfähigen Empfangsgeräten.
Der Begriff “drahtloses Telefon” bedeutete in den frühen 1920er Jahren nicht unbedingt ein Gerät, das Nachrichten sowohl senden als auch empfangen konnte. Die meisten Funkgeräte in dieser Zeit waren einfach entweder ein Sender oder ein Empfänger.
Einige Erfinder bastelten jedoch mit viel Spaß an einer Technologie, die im Wesentlichen ein Walkie-Talkie war, indem sie Transceiver entwickelten – Geräte, die sowohl Funknachrichten senden als auch empfangen konnten. Trotz der noch anfälligen Technik wurde in Großbritannien bereits 1922 an drahtloser Telefonie von fahrenden Autos aus geforscht, wie man der Zeitschrift „The Autocar“ vom 1. Dezember 1922 entnehmen kann. Hier ist zu lesen:
„Telephonieren aus einem fahrenden Auto – Experimente mit einem drahtlosen Telephon
Am Donnerstag, dem 23.11.1922 wurde auf der Rennstrecke von Brooklands eine interessante Serie von Versuchen mit einem drahtlosen Telephonsystem durchgeführt.
Das bewegliche Übertragungssystem der Firma „Electrical Disposals Syndicate“ aus London war auf dem Vordersitz eines AC-Automobils eingebaut. Die Sprechmuschel war nahe des Fahrers an der Karosserie befestigt und zwischen Kühler und Schwiegermuttersitz waren 3 Kabel als Antenne gespannt.
Die Empfangsstation befand auf der Kuppe des Testhügels. Sie bestand aus einem Fernsprecher mit 4 Röhren und Kopfhörern, und wurde mit Trockenbatterien betrieben. Die Sendung erfolgte auf dem 200-Meter-Band.
Nachdem der Sender im Auto auf dem Hügel abgestimmt worden war, wurde der Wagen ins Fahrerlager und entlang der Straße zum Flugzeugplatz gefahren. Die Ergebnisse waren zufriedenstellend und die Botschaften klar und deutlich.
Am Nachmittag waren die Ergebnisse nicht so gut, da es immer wieder Probleme mit dem Sendegerät gab. Es wurden verschiedene Röhren-Typen ausprobiert, darunter auch einige von einem Empfangsgerät. Aufgrund dieser Röhrenprobleme oder anderer Defekte war es extrem schwierig, eine klare Botschaft aus dem Auto zu bekommen, obwohl es offensichtlich war, dass die Stimme übertragen wurde.
Man darf daran erinnern, dass die gleiche Firma vor einigen Monaten erfolgreich mit dem Empfang von Morse-Funksignalen aus einem Spyker-Automobil, das mit hoher Geschwindigkeit auf der Brookland-Strecke unterwegs war, experimentiert hat.“
Noch etwas früher – nämlich in einem Artikel der Zeitschrift „Sandusky Register“vom 21. März 1920 – wurde die Geschichte von W. W. Macfarlane aus Philadelphia wiedergegeben, der mit seinem eigenen “drahtlosen Telefon” experimentierte.
Er sprach vom Rücksitz seines fahrenden Autos mit seiner Frau, die 500 Meter weiter in der Garage saß. Eine Reporterin berichtet dazu folgendes:
„Mr. Macfarlane klettert mit einer an einem Gurt über der Schulter getragenen Kiste und in einer Hand drei nebeneinander auf einem Brett platzierte Ofenrohrstücke haltend, in sein Auto. Hier nahm er einen Telefonsender auf, setzte ihn auf einen kurzen Griff und sagte: Wir werden die Straße entlang fahren. Kannst Du mich hören?
Die anderen Insassen des Auto, die alle mit einem Telefonhörer ausgestattet waren, hörten eine Frauenstimme antworten: Ja, perfekt. Wo bist du?
Zu diesem Zeitpunkt war der Wagen bereits mehrere hundert Meter entfernt, die Stimme aus der Garage war deutlich zu hören.
So erlebte ich es bei der ersten Demonstration des tragbaren drahtlosen Telefons. Die Insassen des Wagens waren der Fahrer, die Reporterin, ein Fotograf und Mr. Macfarlane. Alle trugen die Telefonhörer und konnten gut hören, was Frau Macfarlane sagte. Der Chauffeur hatte lediglich den Hörer mit der üblichen Telefonschnur, die an einer Metallklammer an seinem Lenkrad befestigt war.
Eine fußhohe Box war das einzige “Geheimnis” der Demonstration. Was sich in dem Kasten befand, der etwa 6 Kilo wog, gab der Erfinder nicht preis. Die anderen verwendeten Maschinen bestanden nur aus dem üblichen Telefonsender und -empfänger und den drei Stücken Ofenrohr, die aufrecht auf einem schlichten Stück Brett standen. Dieses bildet die Antenne des Apparates.
Macfarlane wurde gefragt, ob sein Gerät, dessen Herstellung etwa 15 Dollar kostete (nach heutiger Kaufkraft etwa 150 €), in der Zukunft einen praktischen Nutzen hätte. Macfarlane antwortet und philosophiert über den militärischen Nutzen, den seine Erfindung im Weltkrieg, der weniger als zwei Jahre zuvor endete, gehabt haben könnte:
Wenn diese Technik bereits im Krieg für uns bereitgestanden hätte, wäre es von großen Wert gewesen: Ein Regiment, das mit den Telefonempfängern ausgestattet war, nur mit ihren Gewehren als Antennen, könnte weit vorrücken und jeder würde sofort mit dem kommandierenden Offizier in Kontakt stehen. Es wären keine Läufer erforderlich. Es hätte ‘verlorene Bataillone’ verhindert.”