Museumsfahrt 29./30.9.2023 – mit KFZ-Mechaniker-Azubis nach Frankreich

Im Sommer 2022 entstand beim Internationalen L‘Aventure Peugeot – Treffen in Bad Mergentheim, das von Peugeot Deutschland ausgerichtet wurde, die Idee, mit Azubis aus dem Bereich der KFZ-Innung Region Stuttgart das Musee Peugeot in Sochaux zu besuchen.

Bei diesen Azubis handelt es sich um Mechatroniker/innen, die im Rahmen des von der KFZ-Innung Stuttgart initiierten freiwilligen Ergänzungsunterrichts den Zusatzabschluß „Oldtimermechaniker“ absolvieren bzw. abgeschlossen haben. Zusätzlich zu diesem 100-stündigen theoretischen und praktischen Unterricht werden den jungen Leuten Events angeboten, bei denen sie ihr erworbenes Wissen zur historischen Technik anwenden können. So sind sie z.B. aktiv bei der Solitude Revival, der Rothaus-Classic oder auch – wie oben schon gesagt – dem internationalen Peugeotoldtimertreffen mit dabei und sorgen dafür, dass technische Probleme bei den Autos in kurzer Zeit behoben werden.

Von der Idee zur Umsetzung des Museumsbesuchs dauerte es dann aber doch mehr als ein Jahr. Durch die Vermittlung der Pressabteilung von Peugeot Deutschland, Frau Silke Ripplinger, kam schließlich der Kontakt zustande und Herr Wilhelm Supper, von Seiten der Innung ehrenamtlich für diese Fortbildung zuständig, konnte das Programm planen und mit Peugeot Frankreich abstimmen.

Die Azubis trafen sich mit ihm am Morgen des 29.9. auf der Autobahn-Raststätte Neckarburg. Zusammen fuhren sie mit ihren Old- und Youngtimern (u.a. Peugeot 203 Decouvrable, Ford Fiesta, Mercedes und BMW) über den Schwarzwald und durchs Elsaß zum Sitz der Fa. Peugeot in Sochaux. Um 12.30 checkte die ganze Gruppe – als weitere Teilnehmer einer der Berufsschullehrer, mehrerer Mitglieder des Peugeot Vorkriegsregisters und weitere Interessierte – im Hotel ein.

Von dort aus ging es um 13.30 nach Herimoncourt – Terre Blanche, wo an einem der ältesten Peugeot-Standorte das umfangreiche, im Jahr 1982 von Pierre Peugeot ins Leben gerufenen Archiv angesiedelt ist. Nach einer kleinen Odysse fanden wir das richtige Tor und wurden vom Leiter des Archivs empfangen.

Unsere Gruppe im Foyer des Peugeot-Archivs
Unsere Gruppe im Foyer des Peugeot-Archivs

Der Archivleiter führte uns persönlich und wir erhielten Einblicke in die technischen Bereiche. So gibt es z.B. eine auf neuestem Stand befindliche Scan-Anlage, auf der Originale bis zu A1 – Format digitalisiert werden können oder eine Sammlung von Abspielgeräten; schließlich gab es allein in den 1970/80er Jahren sieben miteinander konkurrierende Video-Systeme, ganz abgesehen von älteren Filmstandards wie Normal- und Super 8 oder heutigen digitalen Datenspeichern.

Unsere Archivführung
Unsere Archivführung

Zunächst erhielten wir einen Überblick über die gesammelten Objekte: Seit 1802, als die erste schriftliche Erwähnung der Aktivitäten von Jean-Frédéric Peugeot in erfolgte, wurde Archivmaterial in mehr als 40.000 Pappkartons und Papierschachteln gesammelt, die heute digitalisiert werden müssen. Außerdem sind mehr als 3 Millionen Fotos, 20.000 Videos, 15.000 Plakate, über 3.500.000 Pläne und fast 500 Objekte, die die Geschichte der Firma Peugeot und des Konsortium PSA, das heutzutage zumeist für seine Automobil-Marken bekannt ist, aber auch für Kaffeemühlen, Nähmaschinen, Werkzeuge, Fahrräder produziert aufzeigen, vorhanden.

Von gedruckten Manuskripten über Glasplattenträger, Lochkarten, Microfiches, CAD-Zeichnungen und -Pläne, analoge und digitale Fotos und Filme, DVD und andere elektronische Medien: alle erzählen die Geschichte der Unternehmen und ihrer engaggierten Mitarbeiter, ihrer Technik und Produkte. Aber auch auch von Organisation und Betrieb einer Unternehmensgruppe, die sich im Laufe von mehr als zwei Jahrhunderten entwickelt hat. Neben dem Sammeln und Erweitern des Bestands von gedruckten und gefertigten Objekten wird auch Wert auf die Aufzeichnung mündlicher Erinnerungen von Zeitzeugen gelegt, die zur Unternehmensgeschichte beigetragen haben – viele Interviews mit ehemaligen Angestellten der Unternehmensgruppe sind bereits archiviert.

Im Anschluß durften wir uns in der Sammlung der historischen Dokumente umsehen und er zeigte uns das älteste im Archiv vorhandene Firmendokument des Peugeot-Konzerns: Das Original eines Schreibens der Gebrüder Peugeot aus dem Jahr 1809 an die zuständige Prefecture, in der die Umwidmung einer der Familie gehörenden Getreidemühle in einen Metallbearbeitungsbetrieb beantragt wurde. Diese Schreiben war der Auslöser der Gründung der Fa. PEUGEOT Frères Aînés am 26. September 1810, das sich über mehr als 200 Jahre zum heutigen Stellantis-Konzern entwickelte.

der älteste Geschäftsbrief der Fa. Peugeot aus dem Jahr 1809
Oben der älteste Geschäftsbrief der Fa. Peugeot aus dem Jahr 1809
und unten Rechnungsbücher von Ende des 19. Jahrhunderts
 Rechnungsbücher von Ende des 19. Jahrhunderts

Nach diesem sehr aufschlußreichen fast 3-stündigen Besuch ging es zurück zum Hotel und später zum gemeinsamen Abendessen.

Am nächsten Morgen konnten wir vom Frühstückssaal aus sehen, das immer mehr Peugeot-Fahrzeuge auf dem Museumsparkplatz rollten. Wir hatten das Glück, das zeitgleich mit unserem Besuch das Treffen zum 30. “Geburtstag” der Peugeot-Baureihe 306 stattfand. Mehrere hundert Peugeot 306 – von der biederen Familienkutsche über die schönen Cabriolets bis hin zu Renn- und Rallyefahrzeugen – wurden von Sammlern, Clubs und nicht zuletzt der L’Aventure Peugeot präsentiert.

Ausschnitt aus dem "Peugeot 306-Treffen" anläßlich des 30. Geburtstags des erfolgreichen Modells
Ausschnitt aus dem “Peugeot 306-Treffen” anläßlich des 30. Geburtstags des erfolgreichen Modells

Um 10 Uhr wartete unsere Führerin Estelle auf uns und begann die Museumsführung mit den seit 1810 gefertigten Metallobjekten wie Werkzeugen, Modeassesoires (Krinolinen und Miederstäbe) und den noch beute produzierten Kaffee- und Gewürzmühlen. Weiter ging es dann zu den ganz frühen Fahrzeugen. Im Museum sind Exponate ab den Jahren 1891/92 ausgestellt – mit den Typen 2 – 15 die Modelle, die noch Daimlermotoren (Lizenz Panhard-Levassor) nutzten, ab dem Typ 16 von 1897 Automobile mit eigenen Peugeot.Motoren.

Blick in die Sammlung ganz früher Peugeots
Blick in die Sammlung ganz früher Peugeots
Ein Typ 135 aus dem 1910er Jahren
Ein Typ 135 aus dem 1910er Jahren
Einer der Höhepunkte: Die 401, 601 und 402-Eclipse-Fahrzeuge
Einer der Höhepunkte: Die 401, 601 und 402-Eclipse-Fahrzeuge

Estelle hatte ein sehr großes Wissen und erklärte die Entwicklungsschritte ausführlich bis hin zu den eindrucksvollen Typen der 1920er und 30er Jahre, die tlw. über Motoren mit bis zu 7 Liter Hubraum verfügten. Hier endete die Führung, Estelle stand aber gerne noch für Fragen zu den ebenfalls im Museum ausgestellten Motorrädern, Nutz- und Wettbewerbsfahrzeugen, Nachkriegs-Baureihen und Prototypen zur Verfügung. Sie hatte es bei dieser Führung sicherlich nicht leicht, da ich ihr immer wieder sagen konnte “Dieses Fahrzeug hatten wir schon einmal auf unserem Stand bei der RetroClasiscs in Stuttgart”, was sie z.B. bei eindrucksvollen Typ 184 kaum glauben wollte.

Nun wurde es Zeit, das Musee Peugeot zu verlassen und die etwa 50 Kilometer nach Mulhouse hinter uns zu bringen, wo um 15 Uhr ein weiterer Höhepunkt der Museumsfahrt auf uns wartete: Eine Führung durch das Musee Natonal de l’Automobil, besser als Collection Schlumpf bekannt. Wir erhielten aber beileibe keine 08/15-Führung; ich hatte meinen guten Freund Bernard Jaeggy, langjähriger Präsident und heutiger Ehrenpräsident des Freundes- und Fördervereins der Collection Schlumpf, gebeten, uns durch die Sammlung zu leiten. Er kannte die Brüder Schlumpf persönlich und ist seit der Übernahme der Sammlung durch den französischen Staat eng mit dem Museum verbunden

Die Oldtimer-Mechaniker vor der Sammlung Schlumpf. In der Mitte der Inititor Wilhelm Supper.
Die Oldtimer-Mechaniker vor der Sammlung Schlumpf. In der Mitte der Inititor Wilhelm Supper.
Alle hören gebannt Bernard Jaeggy (4, von links) zu
Alle hören gebannt Bernard Jaeggy (4, von links) zu

Nach einem kleinen Imbis im Museumsrestaurant ging es pünktlich los – und wir wurden nicht enttäuscht. Bernard hat ein immenses Fachwissen zu nahezu allen der weit über 400 ausgestellten Automobilen und gab uns auch Hintergrundinformationen zur Zeit der Entstehung des Museums, der Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften in den 1980er Jahren und dem Zustand der Fahrzeuge nach der Rettung der Sammlung durch den französischen Staat vor der Zerschlagung, nachdem aufgebrachte Arbeiter schon einen Citroen Rosali hatten in Flammen aufgehen lassen.

Der Bugatti Royal Coupe Napoleon 
war auch bei uns ein beliebtes Fotomotiv
Der Bugatti Royal Coupe Napoleon
war auch bei uns ein beliebtes Fotomotiv
Der Bugatti Royal Coupe Napoleon 
war auch bei uns ein beliebtes Fotomotiv
Aber auch die Peugeots wie z.B. der Typ 176 kamen nicht zu kurz
Aber auch die Peugeots wie z.B. der Typ 176 kamen nicht zu kurz

Unsere Junioren wichen ihm kaum von der Seite und aus der zunächst auf 2 Stunden geplanten Führung wurden 3 Stunden. Wahrscheinlich wären es 4 oder 5 Stunden geworden, wenn nicht um 18 Uhr die Durchsage gekommen wer, dass das Museum nun schließen würde.

Auf diesem Wege möchte ich Bernard Jaeggy nochmals ganz herzlich für sein Engagement in Mulhouse und Peugeot Deutschland / Silke Ripplinger für die Unterstützung der Azubis durch Übernahme der Kosten für die Führungen im Peugeot-Archiv und – Museum danken.

Die Heimfahrt im Dunklen verlief für alle gut und die Teilnehmer haben bleibende Erinnerungen an ein schönes, ungeheuer informatives aber auch anstrengendes Wochenende.

Michael Kreuz