Peugeot TT 112 – Prototyp fürs Gelände

Quelle „Forum Militaria 1940“

Im Jahr 1938 stellte die Firma Simca in Vincennes ein wunderbares Motorrad vor:

Die Sévitame mit 280 cm³-Motor, die ihre Qualitäten besonders im Gelände zur Geltung brachte. Das Militär vergab 1939 einen Beschaffungsauftrag für eine vergrößerte Version mit 330 cm³-Motor an Simca. Allerdings stellte sich dann heraus, das Simca nicht über die Produktionskapazitäten, die benötigt wurden, verfügt.

Also ging man auf Peugeot, wo deutlich größere Kapazitäten zur Verfügung standen, zu. Die Firma stellte im Januar 1940 den Prototyp TT 112 vor, der sich der Simca-Sevitame in allen Belangen als überlegen erwies: leicht, handlich und dank eines 6-Gang-Getriebes mit enormem Drehmoment. Diese besitzt je drei kurz und drei lang übersetzte Gänge. Im ersten läuft das Motorrad mit 1.000 U/min im Gelände etwa 3,5 km/h

Das Motorrad ist mit einem Turbinenkühlsystem ausgestattet, um eine Überhitzung bei niedriger Geschwindigkeit zu vermeiden. Außerdem erhält es ein Motorschutzgehäuse sowie – seinerzeit noch ausdrücklich erwähnenswert – einen Seitenständer.

Nachdem nach einer Vorführung von der Militärbeschaffungskommission gefällten Urteil „”vorzüglich in allen Punkten” bestellte die Armee am 24. Januar 1940 ein Kontingent von 5.400 Exemplaren der TT 112. Leider kam es nie zur Serienproduktion, da die Vorbereitungen durch den deutschen Überfall auf Frankreich im Mai/Juni 1940 gestoppt wurden.

Nur ein Prototyp hat überlebt, der sich im Besitz des Autors dieses Artikels, der früher Motorrad-Trial-Wettbewerbe gefahren ist, befindet und den wir Ihnen hier vorstellen dürfen. Der Einfachheit halber belassen wir den Artikel in der Ich-Form:

„Die Geschichte der TT 112 interessierte mich sehr, nachdem ich ein Wrack des Motorrads gefunden hatte. Ich konnte noch mit einem Mitarbeiter, der 1940 bei der Planung dabei war, sprechen. Nach dessen Information wurden 5 Prototypen gebaut. Davon war der 1. tatsächlich nur ein Entwurf, an drei anderen wurde ständig weiter verbessert bis der 5. das endgültige Motorrad war, das der Beschaffungskommission vorgeführt werden konnte.

Da ich mich seit meiner Jugend für alte Motorräder und die Geschichte der beiden Weltkriege begeistere, erzählte mir vor einigen Jahren ein Freund, dass ein Lagerhaus Motorradwracks entsorgen würde, um Platz zu schaffen. Unter diesen Wracks würde sich auch eine grüne Maschine, die eventuell ein Militärmotorrad sei, befinden.

TT 112 vor Restauration
So sah die TT 112 aus, als der Restaurator sie fand und erwerben konnte
TT 112 vor Restauration

Ich schaute mir die Sache einmal an. Wie groß war meine Überraschung, als ich sah, dass es sich bei diesem Wrack tatsächlich um eine Peugeot TT 112 handelte, die ich bisher nur aus dem ausgezeichneten Buch (was soll ich sagen, der „Bibel“) “l’Automobile sous l’uniforme” von François Vauvillier und meinem Freund Jean Michel Touraine kannte.

Ich wusste, dass Peugeot der Armee 1939 einen Gelände-Prototyp vorgestellt hatte, zu dessen Bau es aber trotz seiner Überlegenheit gegenüber allen Konkurrenten durch den Ausbruch des Krieges nicht mehr gekommen war. Bereits 1937 hatte Peugeot dem Militär einen Prototyp auf Basis der P117 vorgestellt. Dieser wurde jedoch nicht akzeptiert, da er als nicht effizient genug angesehen wurde. Mit der TT 112 überzeugte Peugeot die Beschaffungskommission jedoch, dass es notwendig war, ein Serienmodell an die Anforderungen des Geländemotorrades anzupassen.

Der Fund dieses Wracks war für mich so, als ob ich eine zweite “Mona Lisa” entdeckt hätte. Auf den ersten Blick fiel mir auf, dass bei dieser Maschine viele Bauteile, die es an den Serienmodellen der P 112 gibt, fehlten. Vergaser, Magnet, Scheinwerfer, Reifen und sogar der Auspuff waren nicht mehr vorhanden. Diese Teile hatten wohl im Lauf der Zeit dafür gesorgt, Serienmodelle in Betrieb zu halten.

Andererseits war das Motorrad aber ziemlich vollständig. Alles was speziell für die TT 112 gefertigt wurde – Rahmen, Tank, Getriebe, Motor, Schutzbleche, Kühl- bzw. Lüftungssystem – und somit bei anderen Motorrädern nicht zu verwenden war, war vorhanden!!!!

Daher entschied ich mich für eine sehr aufwändige, ungewöhnliche Restaurierung. Ich versuchte um jeden Preis zu erhalten, was an originalem Bestand zu erhalten war. Dazu gehört natürlich auch die Originallackierung, Beschriftungen und Gummiteile.

Um diese Restaurierung umsetzen zu können, mußte ich unbedingt die fehlenden „normalen“ Anbeuteile von den ehemaligen Herstellern finden: Marchal-Scheinwerfer, Morel-Magnet Typ G1, passende Reifen etc.

Und dann waren noch ein Auspuffrohr und ein Schalldämpfer nachbauen, denn wenn man ein Teil von einem Proto sucht, kann man genauso gut an den Weihnachtsmann glauben. Aber das Unmögliche passierte: nur wenige Kilometer von meinem Zuhause entfernt fand ich das passende Auspuffrohr, den Schalldämpfer sowie einen handbetätigten Schalthebel.

Nun musste ich die Teile wieder zusammenbauen, die Originalfarbe aufhellen und auf die neuen Teile neue Farbe auftragen, um eine einheitliche Farbgebung zu erreichen. Ich werde nicht über die mechanische Inbetriebnahme sprechen; Motor und Getriebe waren mit Ausnahme der Kolben in ausgezeichnetem Zustand. Es war ein ganz normaler Zustand für eine so lange stillgelegte Maschine.

TT 112 nach Restauration

Für mich ist das Überleben dieser Maschine ein mehrfaches Wunder. Warum?

  • Zunächst einmal werden Prototypen in der Regel zerstört, wenn sie nicht in Serien gehen können. Diesem Schicksal ist die TT 112 wohl durch den Kriegsausbruch entgangen.
  • Über mehrere Jahrzehnte ist das Motorrad der „normalen“ Verschrottung entgangen. Vor 1970 gab es kaum Liebhaber oder Clubs für alte Fahrzeuge. Daher wurde kein Wert auf deren Erhaltung gelegt und auch seltenen Maschinen häufig zum Schrottpreis an die örtlichen Schrotthändler verkauft.
  • Und zu guter Letzt wurde es an einen Militärmotorrad-Enthusiasten (mich) verkauft. Wenn diese TT 112 in die Hände eines einfachen Sammlers von Oldtimer-Motorrädern gefallen wäre, hätte die Gefahr bestanden, dass sie in eine zivile Version, wie Opas Motorrad, zurückversetzt worden wäre. Auch heute noch gibt es Leute, die Khaki nicht mögen. Damit wäre aber der gesamte historische Wert verloren gegangen.

Hier ist sie also heute, wie ich sie entdeckt und wiederbelebt habe. Als ehemaliger Motorrad-Trialer kann ich Ihnen sagen, dass dieses Motorrad wirklich eine außergewöhnliche Maschine ist. Bravo an alle Peugeot-Ingenieure, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben!!!”