Peugeot 402 B – Einzelstück “Canadienne”

In Facebook tauchte kürzlich das beigefügte Foto eines sehr merkwürdigen Peugeots auf.

Peugeot mit Canadienne-Karosserie
Der rätselhafte Peugeot mit Canadienne-Karosserie
"echter" 402 Canadienne
und zum Vergleich ein “echter” 402 Canadienne. Wie man unschwer erkennt, gibt es wesentliche Unterschiede

Ziemlich schnell herrschte Einigkeit darüber, dass es sich um ein Unikat handeln muss; über die „Grundlage“ wurde allerdings heftig diskutiert und die Spekulationen reichten von 402 Limousine über verschiedene Cabrio-Versionen bis hin zum 2,5-Tonner des Typs DK 5.

Bei allen diesen passte aber irgendetwas nicht – so stimmen weder die durchgehende Frontscheibe noch die Höhe und der Dachansatz mit einer 402-Limousine überein und für den DK 5 ist der Wagen schlichtweg zu klein. Ob irgendjemand jemals auf die Idee gekommen wäre, ein Cabrio oder gar einen Eclipse so umzubauen, wage ich zu bezweifeln.

Bei näherem Hinsehen kann man erkennen, dass der Kühlergrill vom 402 B stammt. Die Motorhaube mit den 3 Leitblechen in den Luftschlitzen deutet jedoch auf einen ganz frühen 402 (10-1935 – 6-1936) hin und die Stoßstange scheint zu keinem bekannten 402 zu gehören.

Daraufhin hatee ich mal meine Literatur gewälzt und glaubte, das Rätsel gelöst zu haben – ich war der Meinung, das es sich bei der Grundlage dieses Umbaus um einen Peugeot SK3, der 1937/38 als 3/4-Tonner mit dem Motor des 302 angeboten wurde, handelt. Der Transporter wurde als geschlossener Fourgon de Livraison, Boulangerie sowie als rollendes Chassis mit Fahrerkabine angeboten. Das hat sich nun aber als fehlerhaft herausgestellt. .

Grundlage des Candienne - ein SK 3
Meines Erachtens die Grundlage des Candienne – ein SK 3. Hier das im Musee Peugeot stehende Exemplar als “Boulangerie”

Nach Angaben der L’Aventure Peugeot handelt es sich bei dem Wagen um eine Limousine 402 B vom Typ N5, die am 27. Oktober 1939 an die französische Luftwaffe ausgeliefert wurde. Der mit einem Cotal-Getriebe ausgestattete Wagen (das spricht natürlich gegen die Hypothese einens Umbaus aus einem SK 3) hat nach Aussage seines Besitzers eine einzigartige Geschichte:

Er wurde unmittelbar nach dem Krieg aus eimem Nachlass gekauft; wie er von Militär dorthin gekommen ist, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Auf Wunsch des Käufers, eines Antiquitäten- und Kunsthändlers, wurde er von der Fa. Carosserie Lourtioux in Montluçon zm Candienne umgestaltet. Nach dem Tod eines Sohnes wurde das Auto zwar stillgelegt, aber fachmännisch von einem Nachbarn eingelagert, der es einige Jahre später kaufen konnte und bei Oldtimerveranstaltungen genutzt hat. Hierzu tauchten dann die unten zu sehenden Fotos auf.

Der Canadienne ca. 1994
Der Canadienne ca. 1994
Heckklappe des Canadienne
Auf diesem Bild kann man gut die Heckklappe des Canadienne erkennen.

Im Jahr 2001 wechselte es nochmals den Besitzer, der es je nach Jahreszeit an seinen Wohnorten in Mittelfrankreich und Saint Tropez nutzte, um dort mit einem originalen historischen Wagen auf den Markt oder zum Golfplatz fahren zu können. Direkt nach dem Kauf wurde es von Spezialisten überarbeitet und Kontakt mit L’Aventure Peugeot aufgenommen, um seine Geschichte zurückzuverfolgen. 2016 zog der Besitzer aus Frankreich ins Schweizer Tessin, mußte dort aber feststellen, dass der Wagen im heutigen Verkehr für die dortigen gebirgigen Straßen zu schwerfällig und letztlich zu schwach motorisiert ist

Widerwillig traf er die Entscheidung, sich vom perfekt gewarteten und in hervorragendem Originalzustand befindlichen 402 zu trennen, da er der Meinung ist, dass es sich nicht lohnt, den Wagen zu behalten, wenn er nicht regelmäßig gefahren wird.

Aktuell (Dezember 2020) steht der Wagen wohl zum Verkauf. Hoffen wir, dass er einen guten neuen Besitzer findet.

Ende gut – alles gut – das Auto hat für ~ 33.000 € eine neue Heimat gefunden.