Targa Florio 1910

3 Lion-Peugeot kommen mit den schnellsten Zeiten an, stehen aber nicht auf dem Siegerpodest

Die Targa Florio durch Siziliens Berge war eines der härtesten und schwierigsten Straßenrundrennen Europas. Viele Kurven waren haarsträubend und fast immer unübersichtlich. Es gab kaum eine längere Gerade, ständig stieg und fiel das Gelände, und meistens führte die Straße an steilen Abhängen entlang. Zudem war sie übersät mit Hufeisennägeln und voller Schlaglöcher. Trotzdem sank öffentliche Interesse an der Targa Florio im Jahr 1910 gegen Null. Am Renntag, dem 15. Mai, fanden sich kaum Zuschauer im Startareal in Cerda ein. Quellen in historischen Medien sprechen von knapp 100 Personen.

Die Gründe für den Einbruch im nationalen und internationalen Motorsport waren vielfältig. Die junge Autoindustrie erlebte ihre erste Konsolidierungsphase. Viele kleine Autobauer der Pionierzeit mussten schließen, weil der Verkauf der Wagen einbrach. Fehlende Verkaufsstrategien und veraltete Technik machten aus vielen Unternehmen Kandidaten für Übernahmen.

Diese Umbrüche hatten einen direkten Einfluss auf den Motorsport, da vielfach das Geld für Renneinsätze fehlte. Mit den Betriebsschließungen und Übernahmen verschwanden auch die Rennteams dieser Produktionsstätten. Da die verbleibenden etablierten Hersteller ebenso Absatzschwierigkeiten hatten, kam der Rennsport in Europa fast vollständig zum Erliegen.

Dazu kam, dass Sizilien 1910 noch immer mit den Auswirkungen des Erdbebens von 1908 kämpfte. Als Folge der schleppenden Aufräumungsarbeiten brach 1910 in einigen Teilen der Insel die Cholera aus.

Dadurch war der Einbruch bei den Rennmeldungen dramatisch. Nur fünf gemeldete Fahrzeuge waren ein historischer Tiefstand. Zwei Werkswagen waren am Start: Franco Tullio Cariolato steuerte einen Franco 35/50 HP/4.0 und sein Landsmann Luca De Prosperis einen französischen Sigma.

Seit 1908 gab es im Vorfeld der Targa Florio ein Rahmenrennen für Rennwagen mit einem Motorhubraum unter 2 Liter, den sogenannten Voituretten. 1910 wurde dieses Rennen in die Targa Florio integriert, wodurch drei weitere Meldungen von Lion-Peugeot zustande kamen und letztlich 8 Automobile starteten.

Die Rennabteilung von Lion-Peugeot verschiffte das in vielen GP-Rennen erfolgreiche Voiturette-Team mit drei Fahrzeugen in Marseille. Als Fahrer waren Georges Boillot, Giosuè Giuppone und Jules Goux eingesetzt.

Peugeot-Starter Giosue Giuoppone (Nr. 10), Jules Goux (Nr. 34) und Gorges Boillot (Nr. 55) beim GPO de Voiturettes 1908 in Dieppe auf den 2-Liter-Lion-Peugeot
Von der Targa Florio 1910 scheint es keine Fotos zu geben – hier die Peugeot-Starter Giosue Giuoppone (Nr. 10), Jules Goux (Nr. 34) und Gorges Boillot (Nr. 55) beim GPO de Voiturettes 1908 in Dieppe auf den 2-Liter-Lion-Peugeot

Der Rennverlauf über 2 Runden a knapp 150 Kilometer war spannungslos, sieht man vom Auftritt der Voiturette-Peugeot ab. Sie fuhren ein Rennen im Rennen und waren wesentlich schneller als die leistungsstärkeren, aber auch schwereren herkömmlichen Rennwagen. Von den 5 im Hauptklassement gestarteten Wagen fielen zu allem Überfluß auch noch drei – Fiat, Spa und Lancia – im Lauf des Rennens aus

Georges Boillot benötigte in seinem 2-Liter-Peugeot für die 297,646 Kilometer lange Renndistanz 5 Stunden, 20 Minuten und 43 Sekunden und war im Ziel um 1 Stunde schneller als Franco Cariolato im Franco 35/50 HP/4.0. Die schnellste Runde fuhr ebenfalls Georges Boillot mit einen Durchschnitt von 56,110 km/h. Auch Giosuè Giuppone und Jules Goux fuhren schnellere Gesamtzeiten als Cariolato.

Da die Voiturette-Wagen aber separat gewertet wurden, gewannen nicht die drei schnellen Peugeot die Targa Florio 1910, sondern der über eine Stunde später ankommende Franco Cariolato – eine Besonderheit in der langen Geschichte dieser Veranstaltung..

Die Ergebnisse – oben die Haupt-, darunter die gesonderte Voiturette-Wertung:

1. Franco Tullio CariolatoFranco 35/50 HP/4.06.21 Stunden46,8 km/h
2. Luca De ProsperisSigma 8/11 HP/1.68.03 Stunden
1. Georges BoillottLion Peugeot 2,0 Liter5.20 Stunden55,7 km/h
2. Giosue GiupponeLion Peugeot 2,0 Liter5.24 Stunden
3. Jules GouxLion Peugeot 2,0 Liter5.31 Stunden