Ellerbeck Convertible – der Vater aller CC’s

Beim Peugeot 402 handelt es sich um einen automobilen Meilenstein. Es ist nämlich der weltweit erste, ab 1935 in größerer Stückzahl gebaute Wagen in Cabrio/Coupe-Bauweise mit einem im Kofferraum verschwindenden Stahldach. Unser heutiges Straßenbild wird ja von Mengen dieser Cabrio/Coupes bevölkert. Egal wie sie heißen – Mercedes CLK, Renault Megane, VW Eos oder Peugeot CC – die Urväter sind die Peugeot‘s der 1930er Jahre mit „Eclipse-Karosserie“. 

Peugeot CC
Peugeot 206 CC – so ab 1999 angeboten
Peugeot Eclipse
Peugeot 301 Eclipse aus dem Jahr 1933

Allerdings soll es schon 1910 einen Vorläufer gegeben habe – einen von der Pariser Karossieriebaufirma Phenix umgebauten Delkahaye Typ 32. Später übertrug die Fa. Phenix das Prinzip auch auf einen Turcat Mery – siehe das folgende Bild. Wie das an eine Frischhalteglocke für Lebensmittel erinnerte Dach allerdings genau funktioniert haben soll, ist nicht mehr nachvollziehbar. :

Turcat-Mery mit Phenix-Karosse

Ende der 1920er Jahre gab es einen weiteren Vorläufer, der “praktikabler” wirkt: Bereits im Jahr 1928 – und damit 5 Jahre, bevor Georges Paulin seine Eclipse-Technik 1933 zum Patent anmeldete und mit Marcel Pourtout auf einem Peugeot 301 umsetzte – gab es in den USA Versuche mit einem Dach, das ähnlich den zeittypischen Schiebedächern auf den Kofferraum auflief. Diese Versuche wurden im Mittleren Westen der USA, genauer gesagt in Salt Lake City, vom Erfinder Ben B. Ellerbeck durchgeführt.

Im Jahr 1922 kaufte er einen Hudson Super Six Roadster aus dem Jahr 1919 und rüstete den Wagen in den folgenden Jahren auf sein Kall-Hub-Dach um. Dazu mußte die Windschutzscheibe und der hintere Karosserieteil des Wagens komplett neu aufgebaut werden. Das Ergebnis war ein recht attraktives Auto mit Drahtspeicherädern und einer zweifarbigen Lackierung.
Der Wagen war mit dem komplizierten Getriebe- und Federmechanismus ausgestattet, der zum Heben und Senken des Verdecks verwendet wurde. Der Mechanismus befand sich direkt hinter dem Fahrersitz. Um ihn zu betätigen, wurde eine große Kurbel in eine Halterung etwa 30 cm hinter der Beifahrertür eingesetzt (siehe Foto). Der Schwiegermuttersitz war auch bei geöffnetem Dach immer noch funktionstüchtig, da das Verdeck über einen klappbaren Bereich verfügte.

Beim Ellerbeck Convertible blieb es allerdings bei einem Einzelstück

Soweit bekannt, wurde Ben Ellerbeck von der Peugeot-Delegation, die 1935 die USA bereiste und die Idee für die Stromlinienform der 02-Serie mitbrachte, besucht und die Patente dahingehend abgestimmt, dass es keine Überschneidungen gab.

Lange wurde behauptet, dass zu diesem Hudson keine Informationen vorliegen. Zwischenzeitlich konnte ich aber über EBAY einen Artikel aus der Zeitschrift „Motor West“ vom 1.2.1928 ankaufen, in dem der Erfinder selbst zu Wort kam. Hier die sinngemäße Übersetzung:

Der Erfinder E.E. Ellerbeck aus Salt Lake City über die Notwendigkeit eines neuen Auto-Typs und über die Leichtigkeit, mit seiner Methode ein Metalldach-Coupe in einen offenen Roadster zu verwandeln:

Junge Amerikaner unter 35 suchen nach einem vernünftigen Ersatz für Roadster- und Cabriolet-Karosserien. Diese Fahrer wissen, dass das offene Fahren seinen Reiz verliert, wenn das Stoffdach nicht mehr richtig dicht ist und man bei jedem Wetter das Gefühl hat, im Freien zu sitzen. Genauso wissen sie, dass die Gefahr, bei einem schweren Unfall mit einem offenen Wagen in Mitleidenschaft gezogen zu werden, sehr groß ist – ebenso, wie die Gefahr des Verziehens der Karosserie bei kleineren Unglücken.

Eine andere Gruppe von Fahrern würden zweisitzige Roadster kaufen, wenn für sie nicht die Notwendigkeit vorläge, ihr Auto bei jeder Witterung nutzen zu müssen. Sie suchen mehr Komfort und Schutz, als ein Cabrioletdach bieten kann. Diese Gruppe umfasst auch die Fahrer, die in einem knifflig zu schließendem Stoffdach verglichen mit einem Coupe-Metalldach keinen großen Wert erkennen können.

Wenn das Wetter schlecht ist, beneidet der Verfechter des Cabriolets den Besitzer des behaglichen Coupes; aber wenn es schön ist und nach einem offenen Dach ruft, schielt der Coupefahrer neidisch auf den Roadster und hält das geschlossene Dach für den Fluch seines ansonsten zufriedenstellenden Fahrzeugs.

Illustrationen zeigt die Kombination von Metalldach-Coupe und offenem Roadster
Illustrationen zeigt die Kombination von Metalldach-Coupe und offenem Roadster

Die Interessenten warten seit langem auf eine Karosserieform, die schnell und einfach vom Metalldach-Coupe zu einem Roadster verwandelt werden kann. Lange Zeit war es nicht möglich, sich vorzustellen, wie so etwas technisch umgesetzt werden kann. Jetzt ist aber klar, daß eine solche Karosserie nicht schwieriger oder teurer herzustellen ist als die üblichen.

Sobald diese Tatsache von den Interessenten – und die Liebhaber von Cabriolet und Coupe machen mehr als die Hälfte der Käufer aus – energisch gegenüber Herstellern und Händlern vertreten wird, werden sie sehen, dass ihre Stimme Gewicht hat. Obwohl die Hersteller bis heute versucht haben, die Käufer durch geringe Verbesserungen im Erscheinungsbild der Karosserien bei der Stange zu halten, scheint sich jetzt sehr schnell der Zeitpunkt zu nähern, an dem Vielseitigkeit das Ziel der Karosseriedesigner werden muß. Der gegenwärtige Wettbewerb im Segment der niedrigpreisigen Automobile sollte es für einige Hersteller unumgänglich machen, sich um ein Monopol zu bemühen – hier bietet sich die Konstruktion eines vollständig neuartigen „Convertible – Coupe – Roadsters“ an.

Die untenstehenden Illustrationen zeigen, wie einfach und praktisch die Kombination von Metalldach-Coupe und offenem Roadster umzusetzen ist. Der Kofferraum differiert nur geringfügig vom Herkömmlichen und der „Pavillion“ bietet die gleiche lichte Höhe zwischen Sitzfläche und Dach. Der Kofferraumdeckel ist etwas niedriger als die Oberkante der Metalltüren gebaut, so daß sich bei offenem Fahren eine einheitliche Linienführung von Türen und dem auf dem Kofferraum aufliegenden Coupedach ergibt.

Um das Dach zwischen den Positionen „geschlossen“ bzw. „offen“ zu bewegen, werden starke „Sturmstangen“ benutzt. Diese sind an den Dachseiten befestigt und schwenken es um den an der Karosserie liegenden Drehpunkt. Innerhalb der Karosserie sind sie an starken Federn angeschlagen. Diese Gegengewichte erlauben es, das Dach ohne große Kraftanstrengung um den Drehpunkt zu bewegen. Befestigungen halten das Dach dann sicher in der jeweils gewünschten offenen oder geschlossenen Stellung. Gummieinlagen in den Ecken des Pavillons verhindern jedes Rattern oder Quietschen bei offener Fahrt. Wenn das Dach geschlossen ist, ergibt sich mit den Türscheiben eine vollkommen geschlossene Karosserie. 

Wenn ein „Schwiegermuttersitz“ vorhanden und er auch bei geöffnetem Dach genutzt werden soll, besteht die Möglichkeit, das Dach mittels eines Scharniers so zu gestalten, das auch das möglich wird.

Unsere Zeitung meint, dass dieser Erfindung, die die Vorteile von Cabriolet und Coupe ohne die Nachteile der bekannten heutigen Karosserien zu haben, vereint, eine große Zukunft bevorsteht. Schon bald wird eine ganz neue Epoche der Motorisierung beginnen.

Heute wissen wir, das die “Convertible-Welle” – von den 680 gebauten Peugeot Eclipse einmal abgesehen – damals ausblieb. In den USA kam sie 30 Jahre später kurz mit dem von 1957 – 1959 gebauten Ford Fairline Skyliner, in Europa erst mit dem Mercedes SLK ab 1996 in Mode.