Peugeot 402 Roadster – Chassisnummer 797280

Fälschlicherweise Pourtout zugeschrieben, tatsächlich jedoch ACB Broual + neue Umbauten

Peugeot 402 Roadster - Chassisnummer 797280

Im Internet taucht seit ca. 2010 immer wieder ein Peugeot 402 mit einer Sonderkarosserie auf, der u.a. Preisträger beim Concours in Pebble Beach gewesen sein soll. Anschließend wurde der Wagen vermutlich mehrfach verkauft; zeitweise befand er sich wohl bei einem Händler in Norwegen, der ihn für 485.000 $ zu Kauf anbot. Die letzte Info ist, dass er im August 2017 bei einer Auktion im englischsprachigen Raum für 395.000 $ angeboten wurde. Um 1990 lag der Preis des Wagens noch bei 38.000 $ – oh wunderbare Wertvermehrung durch eine unwahre Provenienz ….

Ausschnitt Auktionskatalog

Ohne Zweifel handelt es sich um einen ausgesprochen schönen und handwerklich sehr hochwertig gemachten Wagen – allerdings stimmt die dazu im Umlauf befindliche Geschichte nicht, nach der – laut dem amerikanischen Besitzer, der den Wagen in Pebble Beach vorstellte – es sich bei dem Einzelstück um eine bei Pourtout in Paris gebaute Karosserie mit DarlMat-Technik handeln soll.

Nachdem sich ernste Zweifel ergaben, ob es sich um eine Pourtout-Karosserie handelt, habe ich seit 2013 meine französischen Verbindungen genutzt, um bei diversen Sammlern und 402 Spezialisten Informationen zu diesem Fahrzeug zu sammeln. Dabei stellte sich Folgendes heraus:

  • Der Sohn von Marcel Pourtout bestreitet kategorisch, dass sein Vater diese Karosserie gebaut hat.
  • Nach meinen in Avignon bekommenen Infos ist die Grundlage des Autos ein 1950er Jahre Umbau durch die Fa. A.C.B. (Atelier Carosserie Beco) bzw. von Herrn Maurice Broual auf 402 – Basis.
    Näheres zu ACB finden Sie hier
  • Herr Broual hat zu dieser Zeit u.a. auch auf Amilcar-Basis einen Monoplace-Rennwagen mit 402 Motor gebaut, der bei Formelrennen eingesetzt wurde und heute noch existiert. Sein Sohn Michel zeigt den Wagen gelegentlich bei Oldtimerveranstaltungen.
  • Der 402 – Umbau wurde in den 1980ern nach Infos meiner Quelle in die USA verkauft und dort wohl in die heutige Form umgebaut; der Umgestalter selbst oder einer der späteren Besitzer hat dann wohl (wissentlich, um den Wert zu erhöhen ???) die Fehlinfo von der Portout-Karosserie in die Welt gesetzt – seither tauchen jedenfalls Fotos des Autos mit der Bezeichnung “Karosserie Portout” auf, was nachweislich falsch ist


Aufgrund dieser Tatsachen habe ich seit etwa 2013 immer, wenn der Wagen auftauchte, darauf hingewiesen, dass die Provenienz „Pourtout“ fehlerhaft ist.

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Scheinbar haben wir wider Erwarten doch einen gewissen Einfluss auf das, was zur Fahrzeuggeschichte bei internationalen Angeboten so veröffentlicht wird. In der Beschreibung des Wagens bei der Auktion im Herbst 2017 rückte man inzwischen doch etwas von der „DarlMat/Portout-Story“ ab. Hier der übersetzte Text dazu:

Während dieses Auto bei der mechanischen Spezifikation dem vielleicht besser bekannten Cousin „402 DarlMat“ entspricht (Anmerkung: sollte das stimmen, entspricht es nicht dem Originalzustand des ACB-Broual, kann aber nachträglich bei der Restaurierung in den USA aufgerüstet worden sein), sieht es nicht wie dieser aus.


Dieser 402 besitzt eine schlanke, einmalige Ganzstahl-Karosserie, die sehr harmonisch proportioniert ist. Es gibt seit einiger Zeit eine Diskussion darüber, wer der ursprüngliche Coachbuilder dieser Karosse gewesen sein könnte. Eine Theorie ist, dass es von Pourtout gestylt worden sein könnte, während andere Experten der Meinung sind, dass sie aus dem Atelier de Carrosserie de Beco, oft abgekürzt “A.C.B.” stammt. Dies ist die Meinung von Hubert Auran (Anmerkung: Das ist auch meine Quelle), der zu den weltweit angesehensten Kennern von Peugeot 402 mit Sonderkarosserien gehört. Egal, ob bei Pourtout oder bei ACB entstanden, ersetzt die jetzige Karosse wohl eine Serienkarosserie, mit der der Wagen (Identnummer 797280) wohl ursprünglich ausgeliefert wurde.

In der Tat war es nicht ungewöhnlich für Kunden, Fahrzeuge neu zu erwerben und gleich an den Karosseriebauer des Vertrauens weiterzugeben, der auf dem Chassis dann die Wunschkarosserie entstehen ließ. So wird angenommen, dass die markante Karosserie, die wir hier sehen, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt wurde.

Interessanterweise existiert ein Foto, das von Nick Valcamp, einem führenden Kunsthistoriker, in die frühen 1940er Jahre datiert wurde und das den Wagen in unrestauriertem Zustand zeigt. Dies würde bedeuten, dass es den Wagen so schon vor dem 2. Weltkrieg gab. Das Chassis hat einen Radstand von 114 Zoll, der wohl für dieses Projekt verlängert wurde. Im Vergleich zu den DarlMat-Kreationen ist es wesentlich größer und länger, in etwa wie ein Delahaye 135. (Anmerkung: Dieses angebliche Foto wurde bisher nie veröffentlicht)

Während die Debatte über die Ursprünge der Karosserie unbeendet ist, ist absolut klar, dass es ein bemerkenswert schönes, sehr frühes eindrucksvolles französisches Design ist – europäisches ArtDeko-Styling der 1930er Jahre. (Anmerkung: Das sehe ich eher nicht so)

Nach Hurbert Auran war dieses Auto in den 1950er Jahren im Besitz des berühmten Sammlers Maurice Broual, der es an Roger Baillon verkaufte, der für seine “Sleeping Beauties” Kollektion, die im Jahr 2015 versteigert wurde, bekannt ist. Herr Baillon verkaufte diesen Peugeot im Jahr 1980 in die USA. Um diese Zeit wurde der vordere Teil des Körpers im Stil eines Talbot SS überarbeitet.

Der erste amerikanische Besitzer des Autos war ein Enthusiast, der in den frühen 80er Jahren eine umfassende Restaurierung begann. Nach einigen Jahren wurde das Auto von Jerry Sauls als Teilzahlung für eine Duesenberg-Transaktion erworben, der die Wiederherstellung fortsetzte.

Der jetzige Besitzer kaufte den schönen 402, als die Sauls-Kollektion aufgelöst und der Wagen noch nicht fertiggestellt war. Diese Restaurierungsarbeiten wurden über einen Zeitraum von drei Jahren bei der Fa. Dan McMann durchgeführt und 2010 beendet. Hierbei wurde auch die Front so umgestaltet, dass sie vermutlich mit dem Stil derer übereinstimmt, die der Wagen nach dem Zweiten Weltkrieg trug. Heute präsentiert sich der Wagen wunderschön. Seine tief heruntergezogenen Linien und die kurze, schnittige Windschutzscheibe passen gut zu dem silber-schwarzen Farbschema.