Peugeot-Oberklasse 1934 / 35
Peugeot war nie wirklich ein Spezialist für Autos der Oberklasse, aber die Firma aus Sochaux hat mit ihren Sechszylindern ein paar Ausflüge dorthin unternommen.
Peugeot und der Reihensechszylinder haben eine lange und manchmal stürmische Geschichte. Das erste Auto, das mit einem solchen Motor ausgestattet war, ist der Typ 105 aus dem Jahr 1908. Es ist ein großer Wagen mit einem 11,1-Liter-Motor, der das Auto auf mehr als 100 km/h Höchstgeschwindigkeit bringt, eine beachtliche Geschwindigkeit für die damalige Zeit.Insgesamt werden 23 Exemplare des 105 gebaut.
Im folgenden Jahr wurde der Typ 105 durch den Typ 133 mit einem bescheideneren 3,3-Liter-Motor – aber immer noch Sechszylinder – ersetzt, der bis 1911 gebaut wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Typ 156 der Thronerbe mit einem – diesmal ventillosen – Sechszylinder-Schiebermotor. Mangels Erfolg endete das Abenteuer Sechszylinder vorerst im Jahr 1923. Erst Ende der 1920er Jahre kehrte der Sechszylinder weit verbreitet nach Frankreich zurück und nahezu alle großen Hersteller hatten einen im Programm.
Peugeot folgte 1928 mit zwei Modellen, dem Typ 183 “12 Six” und dem Typ 184 mit einem ventillosen Schiebermotor. Letzterer blieb mit 31 gebauten Exemplaren eine Randerscheinung, aber der Typ 183 war ein Erfolg. Bis 1931 wurden mehr als 10.000 Einheiten produziert, dann wurde der 6-Zylinder aus dem Programm genommen.
Aufgrund des außergewöhnlichen Erfolges des Peugeot Typ 201 (7CV), der auf dem Pariser Automobilsalon im Oktober 1929 vorgestellt worden war, überlebte die Fa. Peugeot den Wall Street Crash vom gleichen Monat und die darauf folgende große Depression.
Die Folgen des Börsenzusammenbruchs spürte Frankreich – wie die ganze Welt – bis weit in die dreißiger Jahre hinein noch stark, aber Peugeot hatte mit dem Kleinwagen 201 das richtige Produkt zur richtigen Zeit.
Auf dieser gesunden 201 – Basis wurden bald sehr viele verschiedene Karosserien für den privaten und gewerblichen Einsatz angeboten.
1932 folgte mit dem Peugeot 301 ein Fahrzeug mit einem etwas größerem 8 CV – Motor. Mitte 1934 erschien konsequent als 10 CV der Peugeot 401, der nun auf dem neu entwickeltem Bloctube-Chassis aufbaute.
In der Zwischenzeit – und wie um die Krise ad absurdum zu führen – stellte man im Februar 1934 mit dem 601 einen leistungsstarken 6-Zylinderwagen vor, der schon 1932 entwickelt, aber zunächst zurückgestellt worden war.
Ziel war, die Baureihe “01” nach oben abzurunden, ohne weiterhin die sowohl in der Herstellung als auch in Unterhalt und Verbrauch sehr teuren ventillosen Schiebermotoren (letztes Modell Typ 184, gebaut bis 1929) oder die 2-Liter 6-Zylinder der ungeliebten Serie 12-Six (Typen 176 und 183 – ausgelaufen im Jahr 1931) weiter zu verwenden.
Der Sechszylinder wurde benötigt, um ein Abwandern der Kundschaft im Bereich der Oberklasse zu den großen Konkurrenten Citroen und Renault, die enstprechendes mit dem 15 Six und dem Vivasport im Angebot hatten, zu verhindern. Außerdem tummelten sich hier weitere Mitbewerber wie Rosengart, Panhard, Unic etc. und im etwas luxuriöseren Bereich Delahaye, Dalage etc., obwohl der Markt sehr klein war und die Absatzprognosen von nur geringen Stückzahlen für das gesamte Segment ausgingen.
Der neue 601 bot eine 2,2 Liter-6-Zylindermaschine, die aufgrund der seitlichen Ventile echte 60 PS bei hoher Elastizität und geringem Geräuschpegel leistete. Das ist erwähnenswert, um so mehr, als der Sechszylinder steuerlich nur als 12 CV eingestuft wurde und damit im Unterhalt relativ günstig war.
Die ersten, im Frühling 1934 ausgelieferten ersten 601 hatten den Fehler, dass sie optisch sehr stark an die kleinen 201/301er angelehnt waren und für die potenzielle Kundschaft die Verwandschaft zur Mittelklasse zu offensichtlich wurde.
Vom großen Peugeot wurden daher in 18 Monaten von Februar 1934 bis Juli 1935 nicht einmal 2000 Exemplare gebaut. Dafür aber bereits ab Werk, ohne externe Karossierbauer zu berücksichtigen, in der rekordverdächtigen Zahl von 17 !! verschiedenen Karosserievarianten.
Das Spektrum reichte von der konventionellen, eher langweiligen kastenförmigen Limousine über 2- und 4-sitzige Cabriolets, Pseudo-Stromlinienvarianten hin zu Roadstern. Für die vermögende Großfamilie war auch ein 8-Sitzer unter der Bezeichung “Limousine Familiale” im Programm.
Trotzdem litt der 601 in der Normalversion stark unter der Ähnlichkeit zu seinen kleinen Geschwistern 201, 301 und 401, obwohl er durch seinen langen Radstand mit sehr schönen Sportkarosserien (z.B. dem “Coach Profile”) ausgerüstet werden konnte, die keine Gegenstücke bei den kleineren 01ern haben.
Als Tüpfelchen auf dem i fertigte der Karossierbetrieb Portout in Zusammenarbeit mit George Paulin eine “Eclipse”-Coupe-Cabriolet-Version mit elektrisch im Kofferraum versenkbarem Stahldach.
Im Herbst 1935 wurde der 401/601 durch den spektakulären neuen 402 in Stromliniendesign mit gänzlich neu entwickletem, modernem Motor ersetzt, wobei es für den 6-Zylindermotor keinen Nachfolger geben sollte.
Zum Schluß noch zwei Arbeiten von Karosseriebaufirmen:
und unten eine eher fragwürdige von Grümmer mit der Bezeichnung “Aeroprofil”. Dieser Wagen wird 1935 von Mlle Josette Cortez präsentiert.