Georges Paulin (1902 – 1942)

Georges Paulin (1902 - 1942)

Georges Paulin wurde im Jahr 1902 als Sohn eines kleinen Markthändlers in den „Fortifs“ – Pariser Vierteln, die vor dem ersten Weltkrieg in etwa den heutigen „Banlieu“ entsprachen – geboren. Er verlebte eine schwierige Kindheit. Als er im Jahr 1918 bei Angriffen der kaiserlich deutschen Armee seine Mutter verlor, markierte das das Ende seiner Jugend. 

Obwohl begabter und intelligenter Schüler, war er nicht in der Lage, sich der strengen Disziplin des damaligen Unterrichts anzupassen. Er verließ bereits mit 14 Jahren die Schule und arbeitete als Gehilfe eines Zahntechnikers. (Anmerkung: Die in Deutschland häufig zu lesende Berusfbezeichnung “Zahnarzt” kann nicht stimmen; schon in den 1920ern war für die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit ein Studium notwendig, was bei der gegebenen Vorbildung ausgeschlossen ist. Vermutlich liegt ein Übersetzungfehler vor, der immer wieder abgeschrieben wurde – Zahnarzt = Dentiste, Zahntechniker = Dentaire). Schon zu dieser Zeit war er ein hervorragender Zeichner und Konstrukteur und beschäftigte sich in seiner Freizeit mit dem damals relativ neuen Automobil.

Im Jahr 1931 ließ er sich seine Idee des einklappbaren Stahldaches am Automobil patentieren. Außerdem erhielt er bis zum Jahr 1935 mehrere Patente für versenkbare Windschutzscheiben und Scheinwerfer.

Darauf wurde der Karosseriebauer Marcel Pourtout aufmerksam, so dass er seinen Beruf als Zehntechniker aufgeben und bei Pourtout als Designer arbeiten konnte, wo er bis 1938 tätig war. Aus seiner Feder stammen Entwürfe für ein Panhard-Coupe, ein Unic-Cabriolet, einen eindrucksvollen Delage D 8, den stromlinienförmigen Talbot Lago Rekordwagen , einen Riley-Rennwagen und nicht zuletzt für die bei den 24 Stunden von LeMans in den Jahren 1936 – 1938 erfolgreichen Peugeot 302/402 des Pariser Peugeothändlers Emile Darl’Mat

Peugeot 302/402 des Pariser Peugeothändlers Emile Darl’Mat

Seine große Idee blieb jedoch, den Kunden ein Auto anbieten zu können, das die Vorteile von Cabriolet, Roadster und Coupe in sich vereint. Da er zu dieser Zeit – wie eigentlich sein ganzes Leben lang – nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügte, musste er sich zur Finanzierung eines ersten Prototypen an seinen Arbeitgeber Pourtout wenden. Dieser baut zum Pariser Salon 1933 auf dem Chassis eines Lancia Belna einen „Eclipse“ auf, dessen elektrischer Dachmechanismus sich in 15 Sekunden öffnen und schließen sollte. Leider bekam man nur 65 % des benötigten Kapitals zusammen, so dass der Wagen nicht rechtzeitig zum Salon fertig wurde. (Dieser Wagen existiert heute noch)

Im Jahr 1934 schoß ein Mitglied der Familie Paulin die zum Bau eines zweiten Prototyps notwendigen Mittel vor. Man entschied sich für den Karosserieaufbau auf Basis eines Chassis des erst kurz zuvor erschienenen Peugeot 301. Der große Pariser Peugeot Händler und „Tuner“ Emile Darl’Mat (er betrieb für Peugeot quasi die Rennabteilung) entdeckte das Fahrzeug und brachte den Peugeot Konzern dazu, es beim Salon im Oktober auf dem Peugeotstand auszustellen und bei Pourtout eine Kleinserie von 80 Eclipse auf Basis des Mittelklassemodells 401 und 20 auf Basis des Oberklassewagens 601 in Auftrag zu geben

Peugeot 601 Eclipse
Peugeot 601 Eclipse

Nach diesem Erfolg entstehen Ende 1935 auf Basis des revolutionären 402 bei Pourtout weitere 80 Eclipse als Zwei/Dreisitzer. Alle bei Pourtout gebauten Wagen sind mit der von Paulin entwickelten elektrischen Dachmechanik ausgestattet. Nach Problemen mit den der Belastung nicht wirklich gewachsenen damaligen Batterien entschiedt Peugeot Mitte 1936, die weiteren (insgesamt noch rund 500) Eclipse im eigenen Werk La Garennes zu fertigen und auf manuelle Mechanik umzustellen

Einer von weltweit noch 3 existierenden 402 Eclipse - Zweisitzern Typ E 4
Einer von weltweit noch 3 existierenden 402 Eclipse – Zweisitzern Typ E 4

Paulin selbst arbeitet weiter bei Pourtout und entwickelt für Darl’Mat den 302/402 Special Roadster bzw. das hinreißend schöne Coupe der Serie. 1937 gehen mehrere dieser Roadster in LeMans an den Start und erringen trotz weit unterlegener Motorleistung die Plätze 7, 8 und 10 in der Gesamtwertung, 1938 avanciert ein einzelner Wagen zum Klassenfünften in der Wertung bis 2 Liter Hubraum.

302/402 Special Roadster

Im Jahr 1938 entwirft er für den Rennfahrer Andre Embiricos ein 4 – sitziges Coupe auf Basis eines Bentley. Das Ergebnis war überwältigend und weckte die Aufmerksamkeit der Chefetage der Fa. Rolls-Royce/Bentley, die ihm ein hervorragendes Angebot machte, um seine Fähigkeiten als Aerodynamiker zu nutzen. Er folgte dem Ruf nach Großbritanien und zeichnete ür diese Firma er insbesondere den 1939er Corniche und den Comet Competition, der 1940 in LeMans an den Start ging   

Nach dem deutschen Überfall auf Frankreich kommt Paulin wenige Tage nach dem mit der Vichy-Regierung geschlossenen Waffenstillstand nach Paris zurück, um gegen die Nazis zu kämpfen. Er baut dort mit Hilfe seines dem britischen Secret Intelligence Service (MI 6) angehörenden Freundes Kellner eine der ersten Resistance-Zellen auf. Am 1. November 1941 wird er nach der Denunziation durch einen französischen Gestapo-Spitzel verhaftet und zum Tode verurteilt. Am 23. März 1942 wurde er in Paris zusammen mit 4 weiteren Resistancekämpfern erschossen.

Gedenktafel Georges Paulin

Posthum erhielt er das Croix de Guerre. Frankreich wartete mit der Verleihung der Wiederstandmedaille unter dem Vorwand, dass er für den englischen MI6 tätig war, jedoch bis Anfang der 70er Jahre.