Häufige Floskeln bzw. Begriffe in Verkaufsanzeigen und was sich dahinter verbirgt

Jeder Verkäufer stellt seine Ware in möglichst positivem Licht dar. Das ist üblich und legitim, auch bei historischen Fahrzeugen. Manche Formulierungen liest man in Verkaufsanzeigen immer wieder, in Zeitschriften und im Internet ebenso wie unmittelbar an den Fahrzeugen. Was wollen die Verkäufer damit ausdrücken? Worauf sollten Kaufinteressenten achten? Eine Sensibilisierung.

Für die Genehmigung zur Übernahme der Texte darf ich mich bei Herrn Peter Diehl, Referent für historische Fahrzeuge bei Oldtimerversicherung autosan CLASSIC

Im Folgenden stellen wir 21 in Annoncen häufig zu sehende Floskeln/Begriffe vor. Der Übersichtlichkeit halber werden sie alphabetisch aufgelistet:

“Aus Familienbesitz”

Gedanke: Es soll suggeriert werden, dass das Fahrzeug in seinem bisherigen Leben gut aufgehoben war, stets gehegt und gepflegt wurde, als Teil der Besitzerfamilie sozusagen.

Realität: Tatsächlich dient diese Formulierung einem anderen Zweck, nämlich der Beschönigung von mehreren Besitzereinträgen im Fahrzeugbrief. Verbunden mit der Erwartung, dass sich diese Tatsache durch den Euphemismus nicht wertmindernd auswirkt. Familienmitglieder können sich sehr unterschiedlich verhalten, auch bei Nutzung und Pflege von Fahrzeugen. Somit ist diese Formulierung keine Garantie für Kontinuität bei zurückhaltender Nutzung und angemessener Pflege. Wird das behauptet, ist der Nachweis durch eine lückenlose Dokumentation (plausible und nachprüfbare Einträge im Serviceheft, Rechnungen von Werkstätten und Pflegedienstleistern) zu erbringen, statt durch das Verwandtschaftsverhältnis der Vorbesitzer.

Fazit: Fakt ist, dass im Fahrzeugbrief mehrere Besitzer vermerkt sind. Das wirkt sich grundsätzlich wertmindernd aus, spätestens beim erneuten Verkauf.

“Aus Sammlung”

Gedanke: Die Formulierung soll suggerieren, beim angebotenen Fahrzeug handelt es sich um ein besonders gepflegtes und/oder nur selten genutztes Exemplar im werksoriginalen Zustand oder um einen Zeitzeugen mit Zubehör und/oder Veränderungen aus der Zeit des normalen Gebrauchs.

Realität: Sammlung hin oder her – wie ein Fahrzeug genutzt, gepflegt und verwahrt wurde, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Fazit: Eine wirklich greifbare Bedeutung hat diese Formulierung nicht. Weil eine Sammlung stets aus mehreren Fahrzeugen besteht, vom Sammler aber jeweils nur ein Fahrzeug genutzt/bewegt werden kann, sollte ein derart bezeichnetes Fahrzeug auch auf Standschäden untersucht werden.

“Bis ins Detail restauriert, 80 Prozent Neuteile”

Gedanke: Mit dieser oder einer vergleichbaren Aussage mit ähnlich hoher Prozentzahl soll ein neuwertiger Oldtimer suggeriert werden, ein neues altes Fahrzeug sozusagen. Nicht zuletzt will man damit auch die – vermutlich hohe – Preisforderung rechtfertigen.

Realität: Zunächst stellt die Formulierung einen Widerspruch in sich dar. Entweder wurde das historische Fahrzeug restauriert, also bearbeitet unter Erhalt möglichst vieler Originalteile, unter Nutzung historisch korrekter Materialien, Verfahren und Werkzeuge sowie mit viel Respekt für das Original und seine Historie. Oder das Fahrzeug wurde neu aufgebaut, was der genannte hohe Prozentsatz von Neuteilen vermuten lässt. Ein gewaltiger Unterschied.

Fazit: Es muss unterschieden werden, von wem die Formulierung stammt. Spezialisierten Händlern, Autohäusern und Werkstätten sollte der Unterschied zwischen Restaurierung und Neuaufbau bekannt sein. Bei Interesse sind Fahrzeug und Dokumentation genau zu prüfen. Private Anbieter kennen diesen Unterschied nicht unbedingt, doch dann handelt es sich wahrscheinlich auch nicht um professionell ausgeführte Arbeiten.

“Einzelstück”

Gedanke: Je attraktiver das historische Fahrzeug (Karosserie, Antriebsstrang etc.) und je geringer die produzierte Stückzahl, umso höher sein Wertpotenzial. Die Formulierung will hier ansetzen und ein besonders wertvolles Fahrzeug suggerieren.

Realität: Ein Einzelstück wurde in der Stückzahl 1 gefertigt, beispielsweise ein Prototyp oder ein auf Kundenwunsch professionell zum so genannten Shooting Brake umgebauter Aston Martin DB6. Bei sehr großzügiger Auslegung des Begriffs zählen auch solche Fahrzeuge darunter, die mit ihrer Ab-Werk-Kombination von Außenlackierung und Innenausstattung nachweislich nur einmal existieren. Die Betonung liegt hierbei auf ab Werk und auf nachweislich, denn eine nachträgliche Veränderung ist in diesem Zusammenhang nicht relevant und gesondert zu beurteilen. Häufig wird die Formulierung aber auch für äußerlich veränderte Fahrzeuge verwendet, beispielsweise für einen Mercedes-Benz der E-Klasse-Baureihe W124 (Limousine) oder C124 (Coupé), versehen mit einer Motorhaube im Stil des S-Klasse-Coupés C126 (SEC-Haube), was den 124er weder schöner noch wertvoller macht. Auch ein Fahrzeug mit besonders niedriger Fahrleistung ist kein Einzelstück.

Fazit: Mit etwas Erfahrung und den heutigen Recherchemöglichkeiten lässt sich meist einfach und schnell herausfinden, ob es sich tatsächlich um ein Einzelstück handelt.

“Gutachten vorhanden”

Gedanke: Es soll suggeriert werden, dass die Preisvorstellung des Verkäufers von einem Gutachten, erstellt von einem unabhängigen Sachverständigen, gestützt wird.

Realität: Gutachten ist nicht gleich Gutachten. Im Zusammenhang mit historischen Fahrzeugen werden hauptsächlich Kurzbewertung und langes Gutachten unterschieden.
Weist eine Verkaufsanzeige auf das Vorhandensein eines Gutachtens hin, handelt es sich häufig nicht um ein langes Gutachten, sondern um eine Kurzbewertung, die ursprünglich nur für diesen einen Zweck erdacht wurde: zur Festlegung einer Kaskoversicherungsprämie. Um die Kosten für den Versicherungsnehmer niedrig zu halten, wird bei einer Kurzbewertung meist auf das Anheben des Fahrzeugs per Hebebühne, auf eine Probefahrt sowie auf die detaillierte Untersuchung und Bewertung aller Baugruppen verzichtet. Somit stellt eine Kurzbewertung lediglich eine grobe äußerliche Inaugenscheinnahme dar. Hiermit eine Preisvorstellung zu begründen, erscheint gewagt.
Neben dem Umfang ist auch der Erstellungszeitpunkt des Gutachtens von Bedeutung, denn auch ein langes Gutachten ist nur eine Momentaufnahme. Älter als ein Jahr sollte ein als Verkaufsargument genutztes langes Gutachten nicht sein.

Fazit: Kein X für ein U vormachen lassen! Für den Fahrzeugverkauf zählt allein ein aktuelles langes Gutachten.

“Kein Wartungsstau”

Gedanke: Die Formulierung soll auf ein Fahrzeug hinweisen, bei dem unmittelbar nach Kauf kein Geld für Wartungsarbeiten ausgegeben werden muss.

Realität: Ausschlaggebend ist, was als Beleg für diese Behauptung vorgelegt wird. Nichts außer der Rechnung für die letzten Wartungsarbeiten? Das ist kein Nachweis für Kontinuität, die auch und insbesondere bei historischen Fahrzeugen wichtig ist. Gibt es hingegen einen Ordner mit zahlreichen, regelmäßig datierten Werkstattrechnungen und HU-Protokollen und sind diese einschließlich der darin fixierten Kilometerstände plausibel, ist der Nachweis erbracht. Hierauf kommt es wirklich an – nicht nur auf die letzte, unmittelbar vor dem Verkauf erfolgte Einzelwartung.
Enorm wichtig ist zudem, welche Werkstatt die Arbeiten ausführte. Im Gegensatz zu modernen Fahrzeugen, mit denen sich zunächst vor allem Markenbetriebe auskennen, sind es bei historischen Fahrzeugen meist spezialisierte Werkstätten ohne Markenbindung, die ihre Kompetenz über Jahrzehnte aufgebaut und gefestigt haben. Ausnahmen bestätigen auch diese Regel. Bei Oldtimern zählen vor allem Erfahrung und Reputation, die bei der ausführenden Werkstatt vorhanden sein müssen.

Fazit: Nicht von der alleinigen letzten Wartung und der Rechnung eines Markenbetriebs täuschen lassen.

“Matching Numbers”

Gedanke: Ursprünglich bezog sich die Formulierung auf den Antriebstrang, also auf Motor, Getriebe und ggf. Achsantrieb, und suggeriert, dass es sich hierbei um werksoriginale Komponenten handelt, deren Bauteilnummern zur Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN; engl. vehicle ident number, VIN) passen. Seit geraumer Zeit werden in diese Formulierung auch Lackierung und Innenausstattung einbezogen. Numbers, weil häufig auch Außenfarben und Innenausstattungsvarianten Nummern (Codes) besitzen. Und matching, weil es sich um die Farben und Varianten handelt, mit denen das damalige Neufahrzeug ausgeliefert wurde.

Realität: Das Leben eines Oldtimerfahrzeugs war lang und ereignisreich. Nicht immer erwies sich der ursprüngliche Motor als standfest und nicht immer fällt heute ein Neu- oder Tauschmotor durch seine abweichende Nummer auf. In einigen Fällen lieferte der Hersteller den Ersatzmotor nummernlos aus, so dass ganz offiziell die Identität des Originalmotors übertragen werden konnte. Ein Verkäufer, der Dokumente hierzu (Werkstattrechnung etc.) an den Käufer weitergibt, riskiert aufgrund des derzeitigen Originalitäts-Hypes Wertminderung, obwohl die genannte Vorgehensweise damals üblich war und noch heute branchenbekannt ist. Ein Unding, aber leider Realität.

Lackierung: Matching numbers bedeutet hier, abweichend zu den Komponenten des Antriebsstrangs, nicht unbedingt Werkslack, sondern lediglich Werksfarbton. Das Fahrzeug kann also durchaus nachlackiert worden sein. Auch mit modernen, historisch nicht korrekten Materialien, obwohl die diesbezügliche chemikalienrechtliche Verordnung für – Zitat – „Oldtimer-Fahrzeuge, die als historisch und kulturell besonders wertvoll eingestuft sind“, eine Ausnahmeregelung enthält. Übrigens tragen bei manchen Herstellern auch Karosserieteile an den Innenseiten Nummern. Wie die Lackierung, ist auch die Innenausstattung bei matching numbers nicht zwangsläufig werksoriginal, sondern entspricht zumindest dem Auslieferungszustand.

Fazit: Wer bei matching numbers ausschließlich werksoriginale Komponenten und Materialien erwartet, kann nach genauer Prüfung enttäuscht werden.

“Motor überholt”

Gedanke: Über den Motor, die wohl teuerste Komponente auch eines historischen Fahrzeugs, braucht sich der nächste Besitzer keine Gedanken zu machen, denn er wurde instand gesetzt, will diese Formulierung suggerieren.

Realität: Der Motor ist eine komplexe Baugruppe und der alleinige Begriff „überholt“ erlaubt keinen Rückschluss auf Umfang und Qualität der Arbeiten. Betrifft die Überholung nur den Rumpfmotor oder auch die Anbauteile (Starter, Generator, Gemischbildung, Zündverteiler etc.)? Wer hat die Arbeiten ausgeführt? Ein professioneller Motoreninstandsetzer mit Dokumentation von der Befundung bis zum Prüfstandtest? Oder der Fahrzeugbesitzer in seiner Hobbywerkstatt? Wurde der Motor professionell und erst kürzlich überholt, geht es auch um Gewährleistung und ggf. Garantie.

Fazit: Eine Motorüberholung ist grundsätzlich die Angelegenheit von Profis, die ihre Arbeiten dokumentieren und für Mängel gerade stehen

“Museumsrestaurierung”

Gedanke: Museen sind besonders anspruchsvoll, wenn es um Restaurierungen geht, und das zum Verkauf stehende Fahrzeug erfüllt diese Ansprüche, will diese Formulierung glauben machen.

Realität: Tatsächlich haben Museen besondere Ansprüche an Restaurierungen. Allerdings sind diese bei historischen Fahrzeugen, die noch gefahren werden sollen, nicht immer hilfreich. Denn bei Museumsrestaurierungen geht es meist primär darum, Fahrzeuge anschließend zu konservieren und auszustellen. Ein fahrbarer, auch gesetzliche Anforderungen erfüllender Zustand ist in der Regel sekundär oder gar nicht gewollt. Somit können bei einer wirklichen Museumsrestaurierung noch umfangreiche Arbeiten anfallen, um die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs zu erreichen.

Fazit: Genau hinterfragen, was der Verkäufer unter Museumsrestaurierung versteht, und ggf. grob überschlagen, was die Wiederherstellung der Zulassungsfähigkeit kostet.

“Nichtraucherfahrzeug”

Gedanke: In diesem Fahrzeug wurde nicht geraucht, über seinen gesamten Nutzungszyklus hinweg und von sämtlichen Vorbesitzern.

Realität: Es existieren Mittel und Wege, störende Gerüche zu beseitigen, von Tabakwaren ebenso wie von Hunden verursacht. Üblicherweise wird hierfür ein so genannter Ozongenerator eingesetzt, der längere Zeit (zumindest über Nacht) im Innenraum seinen Dienst tut. Das von einem solchen Generator erzeugte Ozon (dreiatomiger Sauerstoff, O3) ist äußerst reaktionsfreudig und verwandelt geruchsintensive in geruchlose Moleküle. Durch gleichzeitige Erneuerung von Aschenbechereinsatz und Zigarettenanzünder kann selbst aus einer vorherigen Räucherhöhle ein angebliches Nichtraucherfahrzeug entstehen.

Fazit: Auf die Formulierung „Nichtraucherfahrzeug“ sollte man sich nicht verlassen, obgleich sich die Geruchsbelästigung durch professionellen Einsatz eines Ozongenerators vollständig und dauerhaft beseitigen lässt. Ob es sich um ein tatsächliches Nichtraucherfahrzeug, zumindest um ein professionell aufbereitetes Raucherfahrzeug handelt, lässt sich feststellen, indem das geschlossene Fahrzeug einige Stunden lang in der prallen Sonne abgestellt, dann geöffnet und sein Innenraum olfaktorisch (durch Riechen) geprüft wird. Nach einer unprofessionellen Aufbereitung bleiben womöglich Geruchsmoleküle zurück, die bei höherer Temperatur wahrnehmbar sind.

“Ohne Rücksicht auf Kosten restauriert”

Gedanke: Bei Restaurierung oder Neuaufbau des betreffenden Fahrzeugs wurden keine Kosten gescheut, also nur Könner beauftragt und nur hochwertige Ersatzteile verbaut, will diese Formulierung glauben machen.

Realität: Die Höhe der Kosten besagt nichts über die Qualität der ausgeführten Arbeiten, denn hochwertige Ersatzteile kosten nicht mehr als minderwertige und der Stundenverrechnungssatz von Könnern ist nicht höher als der von Pfuschern. Auch stellt die Formulierung zunächst nur die Aussage des Verkäufers dar.

Fazit: Die Qualität der Arbeiten und somit der Wert des Fahrzeugs kann nur nach ausführlicher Inaugenscheinnahme durch einen Sachverständigen beurteilt werden. Hilfreich für die Beurteilung sind detaillierte Rechnungen von anerkannten Baureihen- oder Markenspezialisten.

“Optimiert”

Gedanke: Umschreibung für ein Fahrzeug mit – meist nur die Technik betreffenden – Veränderungen gegenüber dem Neuzustand.

Realität: Die Entwicklung eines jeden Fahrzeugs, damals wie heute, vollzieht sich über Jahre. In dieser Phase denkt eine Vielzahl von Ingenieuren über die optimale Beschaffenheit der Neuentwicklung nach. Wer ist die Zielgruppe? Wie und wo soll das Fahrzeug eingesetzt werden? Welche gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Wie lassen sich seine Baugruppen und Komponenten am besten instand setzen oder erneuern? Bereits das so genannte Tuning (frei übersetzt: Feinabstimmung) im Zeitraum des normalen Gebrauchs ist eine Veränderung, die nur selten eine Verbesserung mit sich bringt. Gleiches gilt für die so genannte Optimierung eines historischen Fahrzeugs. Einbauten einer elektro-mechanischen Lenkhilfe oder eines elektronifizierten Zündverteilers sind typische Beispiele vermeintlicher Optimierung, die häufig dazu führen, dass kein historisches Kennzeichen (H-Nummer) mehr zugeteilt werden kann. .

Fazit: „Optimiert“ bedeutet stets optimal nach der Auffassung des Vorbesitzers. Ob auch der Kaufinteressent die Veränderungen gegenüber dem Neuzustand als optimal einstuft und ob die Veränderungen tatsächlich Verbesserungen darstellen, ist fraglich. Vermeintliche Optimierungen können sich durchaus wertmindernd auswirken

“Originalzustand”

Gedanke: Der Originalzustand ist nach einem langen Fahrzeugleben besonders selten und somit auch besonders teuer, lautet die versteckte Botschaft dieses Begriffs.

Realität: Bei Originalzustand handelt es sich um den wohl meistmissbrauchten und auch meistmissverstandenen Begriff der Oldtimerszene. Unklar bleibt zunächst, welcher Zustand damit beschrieben wird. Der Zustand bei Werksauslieferung? Bereits der Anbau von Nebelscheinwerfern durch den ausliefernden Händler würde den werksoriginalen Zustand beeinträchtigen. Der Zustand während des Zeitraums der normalen Nutzung mit allen diesbezüglichen Veränderungen? Oder – so ist es in den meisten Fällen – ein restaurierter oder neu aufgebauter Zustand? Letztere Zuordnung wäre falsch, denn den originalen Zustand gibt es nur einmal, und Restaurierung oder Neuaufbau würden ihn zerstören. Simpel formuliert: weg ist weg. Korrekt wäre deshalb, von einem dem Originalzustand entsprechenden Zustand auszugehen.

Fazit: Bei einem derart bezeichneten Fahrzeug muss zunächst recherchiert werden, was der Besitzer oder Verkäufer mit Originalzustand meint.

“Patina”

Gedanke: Mit der Veröffentlichung der Charta von Turin Anfang 2013 entstand ein größeres Bewusstsein für historische Fahrzeuge in unrestauriertem Zustand und mit patinierten Oberflächen. Seither wird häufig unterstellt, dass Patina einen eigenen Wert besitzt, der sich im Gesamtwert des Fahrzeugs wiederfindet.

Realität: Unter Patina versteht man die Auswirkungen normaler Nutzung, Pflege und Alterung, die sich an Oberflächen zeigen. Das kann Lack- und Metalloberflächen ebenso betreffen wie Textilien, Leder, Holz und Ähnliches. Sichtbar werden diese Veränderungen als Abnutzung (z. B. an Einstiegskanten oder durch wiederholtes Polieren), als Nachdunkeln (vergleichbar mit dem Nachdunkeln von Möbeln), als Vergilbung oder Mattierung sowie bei fortgeschrittenem Alter des Materials auch als natürliches Rissbild.
Trotz gegenteiliger Aussagen, nicht nur in Verkaufsanzeigen historischer Fahrzeuge, fallen folgende Veränderungen keineswegs unter den Begriff Patina:
* von außen stammende Ablagerungen, die sich durch Reinigung entfernen lassen, wie Staub, Schmutz, Insekten, Pollen, Baumharz, Schmier- und Konservierungsmittel etc.
* durch Vernachlässigung (also nicht durch normale Nutzung und Pflege) entstandene Schäden, beispielsweise an so genannten Scheunenfunden oder lange Zeit im Freien abgestellten Fahrzeugen (u. a. intensive und großflächige Lackrisse an Fahrzeugen, importiert aus den Sonnenstaaten der USA)
* Effekte, die sich bei Nutzung des Fahrzeugs rasch verschlimmern und zur Zerstörung des Bauteils/der Baugruppe führen, zum Beispiel Korrosion, lose Lackschichten oder Risse in Sitzbezügen
*· Veränderungen, die die sichere Nutzung des Fahrzeugs verhindern

(Quelle: Restauratorin Dr. Gundula Tutt)

Dass es bei Bewertung von und Arbeiten an unrestaurierten Fahrzeugen mit patinierten Oberflächen vor allem um die historische Substanz aller Komponenten und weniger um deren Patinierung geht, wird häufig missverstanden.

Vorsicht: Vor dem Hintergrund des unterstellten eigenen Werts von Patina werden seither auch Fahrzeuge mit künstlich patinierten Oberflächen angeboten – in Erwartung, mit dieser Täuschung einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Häufige Erkennungszeichen künstlicher Patina sind ungewöhnlich gleichmäßige und gefällige Verschmutzungen und Abnutzungen an sämtlichen Oberflächen, vergleichbar mit so genannten Shabby-Chic-Möbeln. Bei genauer Betrachtung fallen oft unmittelbar zuvor erfolgte Arbeiten und, falls vorhanden, zwar oberflächlich abgenutzte, jedoch in ihren Umrissen gut erhaltene Aufkleber auf.
Inzwischen wird sogar Patina-Folie angeboten. Dabei handelt es sich um Karosseriefolie mit Effekten, die der Folienhersteller unter dem Begriff Patina einordnet.

Fazit: Der Begriff Patina wird häufig genutzt und auch häufig missbraucht. Genaue Prüfung von Fahrzeugzustand und -historie tut Not. Im Zweifel helfen Fachleute weiter.

“Prominenter Vorbesitzer”

Gedanke: Die Formulierung soll suggerieren, dass das Fahrzeug allein schon durch einen seiner Vorbesitzer einen gewissen, also insgesamt höheren Wert darstellt. Beispiele für Fahrzeuge mit prominenten Vorbesitzern sind der Mercedes-Benz 600 (Typ W100) von Udo Jürgens, der VW Golf IV (Typ 1J) von Kardinal Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI), aber auch der NSU RO 80 von Felix Wankel, dem Erfinder des in diesem Fahrzeug verbauten Rotationskolbenmotors.

Realität: Tatsächlich trägt nicht nur das Klassikerfahrzeug selbst, sondern auch seine (belegbare) Historie zur Wertbildung bei. Ob sich dieses Detail der Fahrzeughistorie jedoch als wertsteigernd erweist, liegt an der Art der Prominenz und am Promistatus (A, B, C…). Dass ein Prominenter auch peinlich sein und permanent negative Schlagzeilen verursachen kann, darf nicht vergessen werden. Steht der prominente Vorbesitzer im unmittelbaren Zusammenhang zum Fahrzeug, gilt er beispielsweise als der Designer der Baureihe oder als der Konstrukteur des Motors, ist das Fahrzeug anders zu bewerten als das Fahrzeug eines Promis aus dem Showbusiness, denn bei Letzterem stellt der Wert dieses Details der Fahrzeughistorie häufig nur eine Momentaufnahme dar.

Fazit: So oder so: Wichtig ist, dass der prominente Vorbesitzer nicht nur auf der Erzählung des Verkäufers beruht, sondern einen behördlichen Eintrag im Fahrzeugbrief hinterlassen hat.

“Scheckheftgepflegt”

Gedanke: Der inflationär verwendete Begriff suggeriert, beim betreffenden Fahrzeug wurde(n) das vom Hersteller/Importeur vorgegebene Serviceintervall über die gesamte bisherige Lebensdauer eingehalten, die Arbeiten stets von Markenwerkstätten ausgeführt und das auch im Serviceheft (Scheckheft) dokumentiert.

Realität: Bei der Dokumentation im Serviceheft geht es um Kilometerstände, Stempel, Unterschiften und Kreuze in vorgegebenen Feldern, bezüglich Öl- und Bremsflüssigkeitswechsel beispielsweise. Das gelingt jeder Werkstatt und auch dem Fahrzeugbesitzer, denn Schreiben, Stempeln und Ankreuzen haben nichts mit fachlicher Qualifikation zu tun.

Fazit: Papier ist geduldig, weshalb es nicht auf die Eintragungen selbst, sondern auf deren Plausibilität und Nachprüfbarkeit ankommt. Tipp: Nahezu jede Werkstatt hat, nicht erst seit kurzem, ein EDV-System. Das speichert die Servicehistorien aller betreuten Kundenfahrzeuge, unabhängig von deren Alter. Stimmen die analogen Angaben im Serviceheft nicht mit der digital gespeicherten Servicehistorie überein, sollte vom Kauf Abstand genommen werden.

“Scheunenfund”

Gedanke: Dieser Begriff befördert die Phantasie von Oldtimerenthusiasten, indem ein über Jahre oder Jahrzehnte vergessenes und somit in diesem Zeitraum nicht berührtes Fahrzeug suggeriert wird.

Realität: Die meisten Scheunen sind längst durchsucht, was echte Scheunenfunde selten werden lässt. In den letzten Jahren wurde dieser Begriff auch einige Male missbräuchlich verwendet, als Insidern durchaus bekannte Sammlungen versteigert und dabei hohe Gebote erzielt werden sollten.

Fazit: Nicht irritieren lassen! Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es sich auch bei den nächsten angeblichen Scheunenfunden um bekannte Fahrzeuge oder Sammlungen handeln. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass solche Fahrzeuge, auch wenn es keine echten Scheunenfunde sind, meist erhebliche Standschäden aufweisen, deren Behebung großen, auch monetären Aufwand erfordert.

“Technik revidiert”

Gedanke: Mit dieser Formulierung soll eine mangelfreie Fahrzeugtechnik suggeriert werden. Reinsetzen und losfahren sozusagen.

Realität: Der Begriff Technik reicht im Fahrzeug von ganz vorn bis ganz hinten, von ganz links bis ganz rechts und von A wie Abgasanlage bis Z wie Zylinderkopf. Wurde(n) wirklich die gesamte Technik überarbeitet oder nur einzelne Komponenten? Wer führte die Arbeiten aus? Ein Profi? Mehrere Profis mit Spezialisierungen? Ein interessierter Laie?

Fazit: Es gilt, genau festzustellen, welche Arbeiten durch wen ausgeführt wurden.

“Umbau”

Gedanke: Umschreibung für ein Fahrzeug, das, so wie es aktuell beschaffen ist, nicht das Herstellerwerk verlassen hat.

Realität: Typische Beispiele sind eine zum Roadster umgebaute Riley Limousine, eine zum Cabriolet im Stil des französischen Karosseriebauers Henri Chapron veränderte Citroën DS Limousine und eine zum Cabriolet umgebaute Sachsenring Trabant 601 (P601) Limousine. Sie verdeutlichen, dass es sich in vielen Fällen bei den Basisfahrzeugen um solche mit geschlossenen und bei den Endprodukten um solche mit offenen Aufbauten handelt. Zu unterscheiden sind Umbauten ohne und mit konkreten Vorbildern. Nicht in diese Kategorie fallen solche Vorkriegsfahrzeuge, die von den Herstellerwerken als Fahrgestelle ausgeliefert, von Karosseriebauern mit ersten Karosserien und im weiteren Verlauf ihrer Nutzung mit anderen, abweichenden Karosserien versehen wurden. Die Vorgehensweise war bis in die unmittelbare Nachkriegszeit üblich und wird heute allgemein akzeptiert.
Nochmals anders ist die Situation, wenn in jüngerer Zeit beispielsweise Horch 853 oder Mercedes-Benz 540K (W29) mit Karosserien im Stil damaliger so genannter Spezialroadster versehen wurden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit geschah das vor dem Hintergrund erwarteter Wertsteigerung, doch heute weiß man werksoriginale Fahrzeuge immer mehr zu schätzen.

Fazit: Abgesehen von den genannten, nachträglich geöffneten Riley und Citroën, für die durchaus Fangemeinden existieren, ist es schwierig, derart veränderte Fahrzeuge zu bewerten. Um beim Beispiel Sachsenring Trabant 601 (P601) Limousine zu bleiben: Der Umbau zum Cabriolet entsprach dem Geschmacksempfinden eines vorherigen Besitzers, wurde als Einzelarbeit oder in kleiner Stückzahl realisiert und wird somit sehr selten gehandelt. Womöglich ist zudem die handwerkliche Qualität des Umbaus zweifelhaft.
Allerdings hat die Verwendung des Begriffs „Umbau“ auch eine positive Seite. Immerhin gibt der Verkäufer zu, dass es sich um kein werksoriginales Fahrzeug handelt. Vermisst wird diese Ehrlichkeit mitunter bei mit konkreten Vorbildern umgebauten Fahrzeugen, bei denen sich die Preise von Basisfahrzeugen und Vorbildern signifikant unterscheiden. Umbauten des NSU 1000 zum 1000 TT, des Mercedes-Benz W111 Coupé zum Cabriolet und des Porsche 911 (F-Baureihe) zum Carrera RS 2.7 sind Beispiele hierfür.

“Unfallfrei”

Gedanke: Angeboten wird ein historisches Fahrzeug, frei von Beschädigungen, möchte man angesichts dieser Formulierung glauben.

Realität: Unfallfreiheit und Schadenfreiheit sind nicht dasselbe. Schadenfreiheit von historischen Fahrzeugen setzt voraus, dass über mindestens zwei oder gar drei Jahrzehnte der Nutzung (Youngtimer bzw. Oldtimer) keinerlei Schäden auftraten, auch keine Bagatellschäden.
Bei Unfallfreiheit hingegen sind Bagatellschäden möglich, denn dieser Begriff ist wörtlich zu verstehen. Ein Bagatellschaden gilt nämlich nicht als Unfall. Wobei Bagatellschäden von den Gerichten unterschiedlich interpretiert werden: mal ganz ohne Schaden am Blech, mal auch mit geringfügigem Blechschaden.

Fazit: Selbst ein korrekt als unfallfrei bezeichnetes historisches Fahrzeug kann durchaus mehrere Schäden aufweisen, sofern es sich ausschließlich um Bagatellschäden handelt. Ein gänzlich schadenfreies Fahrzeug sollte also nicht erwartet werden.

“Vollausstattung”

Gedanke: Viel Ausstattung kostet viel Geld, auch bei historischen Fahrzeugen.

Realität: Vollausstattung würde bedeuten, dass der erste Besitzer bei der Neuwagenbestellung sämtliche lieferbaren Zusatzausstattungen angekreuzt hat. Das ist extrem selten und oft gar nicht möglich, weil sich manche Optionen gegenseitig ausschließen. Auch sollte der Kaufinteressent bedenken, dass womöglich nicht jede Ausstattung sinnvoll ist und zusätzliche Ausstattungen im Defektfall auch zusätzliche Kosten mit sich bringen.

Fazit: Es gilt, genau zu recherchieren, ob es sich tatsächlich um Vollausstattung handelt, und ggf. zu prüfen, ob ein solches Fahrzeug wirklich die richtige Wahl darstellt. Manchmal ist weniger mehr und die so genannte Buchhalterausstattung wegen ihres Purismus und ihrer Seltenheit historisch weitaus interessanter als eine umfangreiche Ausstattung.

Quelle: Oldtimerversicherung autosan CLASSIC