Peugeot Typ 49 – wie wir zu ihm gekommen sind

Von Vera + Marc Sabbe
Quelle: Zeitschrift des belgischen Peugeot Clubs Ausgabe Mai/Juni 2020

Peugeot Typ 49

Mein ganzes Leben lang hatte ich eine große Vorliebe für alles, was Mercedes ist. Seit meiner Jugend habe ich immer in der Autoreparatur gearbeitet und mich für alte Autos interessiert. Vor etwa 20 Jahren bekam ich die Chance, einen Vorkriegs-Mercedes zu kaufen, der eine komplette Restaurierung benötigte. Letztendlich dauerte die Restaurierung mehr als 15 Jahre, hauptsächlich wegen anderer Prioritäten. Vor ca. 4 Jahren konnten wir dann endlich unsere ersten Fahrten mit diesem Mercedes machen und von da an hatten wir richtig Lust auf sehr alte Autos.

Da die älteren Mercedes etwas außerhalb unseres Budgets liegen (es muss ja noch ein Hobby sein), haben wir uns nach etwas noch Älterem umgesehen. Meine Frau Vera entdeckte Freitags in “La Vie de l’automobile” eine Annonce von einem UNIC von 1911, der komplett restauriert werden mußte. Nach telefonischem Kontakt habe ich am Samstag den Hänger angekuppelt und mich auf den Weg nach Frankreich gemacht, etwa 700 Kilometer entfernt. Ich bin in einer Art Freilichtmuseum angekommen, ähnlich wie die Domäne Bokrijk in Flandern. Der Eigentümer, inzwischen über 80 Jahre alt, wollte seinen Besitz verkleinern und/oder verkaufen. Auf dem Gelände befand sich auch ein kleines Museum mit etwa 40 Autos, alten Traktoren, Fahrrädern, Kutschen – eben alles, was man sich vorstellen kann.

Der Typ 49 im Museum
Der Typ 49 im Museum

Nachdem ich den Unic besichtigt und gekauft hatte, bekam ich die Gelegenheit, das Museum zu besuchen. Was mir sofort auffiel, war der Peugeot Typ 49 von 1902. Ein Auto, mit dem die Teilnahme am Rennen von London – Brighton möglih war!! Da ich die Preise von Autos aus der Zeit vor 1905 kenne, dachte ich, dass das nichts für uns sein würde.

Der Peugeot war eines der Autos, von denen sich der Mann trennen wollte. Er hatte den Peugeot 1992 von einem Händler in Paris gekauft, der ihn im Automuseum in Reims ersteigert hatte und hatte den Wagen nun Peugeot in Frankreich angeboten, aber noch keine Antwort erhalten. Wir verblieben so, das ich die erste Chance bekommen sollte, ihn zu kaufen, wenn Peugeot das Auto nicht wollte. Ein paar Wochen später erhielt ich die Nachricht, dass Peugeot im Moment nicht interessiert sei und ich das Auto haben könnte, wenn ich noch Interesse hätte. Schließlich konnte ich das Auto für den gleichen Preis kaufen, den er 1992 bezahlt hatte. Ich hatte Glück, dass das Auto nicht zum Verkauf angeboten worden war, sonst hätte ich wohl keine Chance gehabt. Nach einigen weiteren Absprachen konnte ich den Peugeot endlich abholen.

Der Typ 49

Zunächst begann ich, nach mehr Informationen über die Vergangenheit dieses Autos zu suchen. Ich setzte mich mit dem Sohn von Philippe Charbonneaux in Verbindung, dessen Privatsammlung im Automuseum in Reims ausgestellt ist.

Er erzählte mir, dass sie Anfang der 1980er Jahre unseren kleinen Peugeot irgendwo im Zentrum von Paris in einer Garage fanden, deren Tür komplett zugerostet war. Das Auto muss schon vor den 1930er Jahren dort gestanden haben. Er erinnert sich, dass sie eine Menge Arbeit mit der Bergung hatten und die Motorhaube fehlte. Sie brachten den Wagen nach Reims, wo sie eine Motorhaube anfertigten, den Wagen neu lackierten und die Sitze erneuerten. Die Haube entsprach aber nicht dem Original. Der Wagen stand dann einige Jahre so im Museum in Reims.

Anfang 1990 wurden viele Autos aus der Sammlung verkauft und so landete der Peugeot über einen Händler in Paris auf der Domäne, wo ich ihn fand. Über L’Aventure Peugeot habe ich die Bescheinigung erhalten, dass der Wagen am 8. August 1902 das Werk verlassen hat und dass es sich tatsächlich um einen Typ 49 mit einem 1.627 cm³ Motor handelt. Der Typ 49 wurde in 2 Versionen produziert: mit einem 2-Zylinder 1.304 cm³ Motor und einem 2-Zylinder 1.627 cm³ Motor. Insgesamt wurden 162 dieser Wagen hergestellt.

Bei Peugeot sagte man mir, dass der 1.300er sehr selten ist und der 1,600er noch seltener. Inzwischen kenne ich jemanden in England, der einen Typ 49, 1.300 hat und er dachte, es sei der einzige Typ 49, der noch existiert.

Dann begann ich mit der kompletten Restaurierung, zerlegte alles bis zur letzten Schraube, reparierte wo nötig und baute nach und nach alles wieder auf. Die Mechanik war noch in einem sehr guten Zustand, es wurde nur alles überprüft, gereinigt, lackiert und wieder zusammengebaut. Lediglich die Kurbelwelle des Motors musste leicht nachgeschliffen werden und neue Lager wurden gegossen. Die originale Niederspannungszündung mit mechanischer Zündkerze war auch noch neu für mich und es bedurfte ein wenig Sucherei, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Die weißen Reifen konnte ich in Amerika bestellen. Die Anfertigung der Haube im Originalstil hat mich viele Arbeitsstunden gekostet, aber am Ende bin ich mit dem Ergebnis zufrieden. Da meine Frau und ich 2018 einen Kurs in Autosattlerei begonnen haben, konnte ich während dieses Kurses die Sitze komplett neu polstern.

Der Typ 49 im restaurierten Zustand

Inzwischen sind wir Mitglieder von L’Aventure Peugeot geworden und wurden zum internationalen Peugeot-Treffen 2019 in Houffalize eingeladen. Es wurde zu einer Herausforderung für uns, das Auto bis zu diesem Termin fertig zu bekommen. Meine Frau und ich verbrachten mindestens jedes Wochenende damit, alles zu erledigen. Einer der schönsten Momente für mich war der Tag, an dem ich den Motor starten konnte und ihn laufen hörte. Ich glaube, es war mehr als 100 Jahre her, dass der Motor gelaufen ist. Im Mai schließlich hat der Wagen seine ersten Kilometer auf dem internationalen Treffen zurückgelegt, wo viele von Ihnen den Wagen zum ersten Mal gesehen haben.

Der Typ 49 auf großer Fahrt

Eine Woche später nahmen wir an einer vom RVCCB (Royal Veteran Car Club Belgium) organisierten Rallye für Veteranen mit Baujahr vor 1905 teil und legten in zwei Tagen etwa 160 Kilometer zurück. Dies war für uns der ultimative Test, um uns für London To Brighton, den ersten Sonntag im November, anzumelden.

Das war eine unglaubliche Erfahrung für uns. Am Samstag fand in der Regent Street in London ein Concours d’Elegance statt, bei dem etwa 100 Autos aus der Zeit vor 1905 gezeigt wurden. Wir haben, über alle Erwartungen hinaus, 2 Preise gewonnen: den Concours d’Equipe und den Publikumspreis, was natürlich ein echtes Highlight für uns war.

Der Typ 49

Am Sonntag konnten wir von London nach Brighton fahren. Wir konnten ein kleines mechanisches Problem lösen, aber wir verloren viel Zeit, obwohl wir an den größeren Steigugen nicht aus dem Auto aussteigen mußten. Fünf Minuten vor der Zeit erreichten wir den Deich in Brighton. Genau zur rechten Zeit.

Etwa 14 Tage später stand unser Auto auf dem Peugeot-Stand bei den Interclassics in Brüssel, wo es dem Peugeot-Club wohl zum Gewinn des Preises für den schönsten Stand verhalf. Für uns ist es wirklich angenehm und entspannend, mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 bis 30 km/h durch die verschiedenen Landschaften zu fahren. Wenn alles gut geht, hoffen wir, dieses Jahr wieder an der Fahrt von London nach Brighton teilnehmen zu können. Leider ist die RVCCB-Fahrt 1900 wegen des Corona-Virus bereits verschoben worden. Aber wir werden sehen, was sich ergibt. Inzwischen restauriere ich einen Peugeot 201 Sport von 1932, mit dem wir hoffen, dieses Jahr an einer der Peugeot-Fahrten teilnehmen zu können. Aber das ist eine andere Geschichte,

Der Typ 49 im Museum