Bei der Bonhams-Versteigerung „110 ans d’Automobiles“ im Jahr 2011 im Pariser Grand Palais stand auch ein Peugeot mit der Bezeichnung „Typ 160 Skiff“ zum Verkauf. Seither geistert der Wagen unter diesem Namen im Internet herum.
Das Problem ist, dass es niemals einen Peugeot Typ 160 gab. Kurz nach dem ersten Weltkrieg wurde der Luxuswagen Typ 156 gebaut, 1919 noch ein 1,5-Liter Typ 159 und ab 1921 dann der Kleinwagen Typ 161 Quadrilette. Die Nummer „160“ blieb jedoch aus welchen Gründen auch immer unbenutzt.
Dieser Widerspruch reizte mich zur tiefergehenden Recherche, wobei ich lange suchen mußte, um weitere Infos zum Auto zu bekommen.
Schliesslich stellte sich heraus, dass bei Bonhams jemand einen Tippfehler gemacht haben muß – der vermeintliche Typ 160 ist in Wahrheit ein Peugeot Typ 150, der 1913 gebaut und 1914 mit der Aufsehen erregenden Karosserie versehen wurde.
Der im Peugeot-Werk Lille nur in 49 Einheiten gebaute Typ 150 war „ein schneller Tourenwagen für höchste Ansprüche“. Er ist mit einem 4-Zylinder-Reihenmotor mit einem Hubraum von rund 7,5 Litern ausgestattet, der den Wagen auf für damalige Vorstellungen extreme rund 130 km/h beschleunigte. Steuerlich wurde er als 40 CV eingestuft.
Heute befindet sich der Wagen im Automuseum in Seal Cove/Maine in den USA, wo es sich um eine der Hauptattraktionen handelt. Der Kurator, Roberto Rodriguez, bemüht sich sehr, mehr zur Geschichte des Fahrzeugs in Erfahrung zu bringen.
Bisher steht folgendes fest:
Im Jahr 1911 wurde ein Mercedes 37/90 mit der FIN 21273 als rollendes Chassis an Labourdette in Levallois bei Paris geliefert und dort mit einer Boots-Karosserie („Skiff“) versehen. Die Geschichte des Mercedes ist bekannt, soll hier aber nicht weiter vertieft werden. Dazu nur so viel – der Peugeot wurde von der Firma Dale Adams Enterprises als Muster herangezogen, als der Mercedes 1960/61 dort restauriert und in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde.
Im Dezember 1913 ging – ebenfalls als rollendes Chassis – der Peugeot Typ 150 mit dem Auftrag, den Mercedes soweit wie möglich zu kopieren, an die Fa. Labourdette. Auftraggeber war vermutlich ein Mr. William Bateman Leeds aus Oyster Bay/NY, der mit Prinzessin Xenia Georgievna von Russland verheiratet war.
Was in den folgenden knapp 50 Jahren mit dem Wagen passierte, ist nicht bekannt. Im Jahr 1960 taucht er wie gesagt bei Dale Adams Enterprises wieder auf. Er stammte damals wohl aus dem Nachlass des Tenors und Autosammlers James Melton, der ihn von William Leeds aus New York City für seine Sammlung geschenkt bekam und ihn als “eines der schönsten Autos in unserer Sammlung” bezeichnete.
Zur Karosseriebaufirma Labourdette, die die hinreißende Karosserie verwirklichte, ist Folgendes festzuhalten:
Jean-Henri Labourdette (* 4.12.1888 in Paris/+20.8.1972 in Saint-Laurent-du-Var) stammte aus einer Familie von Karosseriebauern.
Nach dem Tod seines Vaters 1910 übernahm er zusammen mit seinem Bruder Fernand-Henri die Leitung des 1855 gegründeten Familienunternehmens.
Die alte Kutschenwerkstatt in der Rue Malakoff wurde dank des Einsatzes neuer Techniken und der Übernahme entschieden moderner Linien bald zu einer der berühmtesten Automobil-Karosseries der Zwischenkriegszeit. 1911 markierte das von Labourdette entwickelte “Torpedo-Skiff”, das wegen seiner Ähnlichkeit mit Booten so genannt wurde, einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung dieser Firma; ebenso wie die “Vutotal”-Karosserie ohne A-Säule, die Ende 1935 vom Ingenieur Joseph Vigroux patentiert wurde. Die Geschäftstätigkeit der Fa. Labourdette endete mit Beginn des 2. Weltkriegs.
