E 10 und höhere Bio-Kraftstoffbeimischungen: Die Geschichte des Benzins begann mit Alkohol

Quelle: Focus Online, AutoClassic, Oldtimermarkt, ADAC etc.

E 10 Treibstoff

Das Thema Verträglichkeit von E 10-Treibstoff ist auch 10 Jahre nach dessen Einführung an vielen Stammtischen noch nicht “vom Tisch”. Angeblich nutzen nur etwa 20 % der deutschen Autofahrer den relativ umweltfreundlichen und preiswerten Treibstoff – mit fallender Tendenz.

Im Oldtimerbereich liegt die Quote scheinbar noch darunter, da viele Besitzer an den Motoren Schäden durch die Alkoholbeimischung befürchten. Dabei war im Laufe der Geschichte immer wieder Alkohol in den Tanks wie Dietmar Bleidick, Leiter des historischen Archivs von BP/Aral, erläutert:

  • Anfang 20. Jahrhundert: Im Ersten Weltkrieg wurde aus Mineralölmangel in Deutschland aus Agraralkohol Flugzeugkraftstoff hergestellt. Infolge der Weltwirtschaftskrise verordnete die Reichsregierung Ende der 1920er Jahre einen Beimischungszwang von Kartoffelsprit zum Benzin mit bis zu 16 % – somit also “E 16“. Da dieser gesetzliche Zwang erst 1938 endete, kann davon ausgegangen werden, dass alle früher in Deutschland zugelassenen Automobile motormäßig darauf eingestellt waren.
  • Mitte 20. Jahrhundert: 1955 besann man sich wieder auf Alkohol als Beimischung. Ein Grund: Alkohol im Kraftstoff vertreibt die Feuchtigkeit und verhindert so Motorschäden. Außerdem fiel Alkohol nicht unter das Mineralölsteuergesetz. Der zugesetzte Anteil war damit steuerfrei und der Kraftstoff verbilligte sich ein wenig. Kurz vor der Ölkrise 1972/73 wurde die Alkohol-Beimischung zum Sprit eingestellt.
  • Ende 20. Jahrhundert: Mit der Ölkrise folgte die „Rolle rückwärts“: Ab 1977 an wurde Benzin wieder mit Alkohol gemischt. Anfang der 90er ist das aber auch schon wieder Geschichte, weil man feststellt, dass es eigentlich unnötig ist.
  • 21. Jahrhundert: In Deutschland gibt es einige Tankstellen, in denen E 85 – Sprit mit einem Alkoholanteil von 85 Prozent – getankt werden kann. Das vertragen viele Motoren durchaus. Und Autos fahren auch mit purem Alkohol. Man kann Motoren mit bis zu 100 Prozent Ethanol betreiben, wenn – wie in Brasilien – die Dichtungsmaterialien darauf ausgelegt werden.

Lt. ADAC ist der weitaus größte Teil der Benziner-Pkw im Bestand für E10 geeignet. Entsprechende Hinweise sind auch in der Bedienungsanleitung des Fahrzeuges oder in speziellen Freigabe-Listen der Hersteller zu finden. Diese Listen beziehen Oldtimer jedoch meist nicht mit ein.

In einem Praxistest hat eine Gruppe von Old- und Youngtimer-Besitzern unter Leitung des Automobilclubs von Deutschland (AvD) den Sprit mit Alkoholzusatz seit der Einführung 2011 verwendet. Das Spektrum der 16 Testfahrzeuge reichte vom Mercedes 230 Baujahr 1938 über einen Citroen SM bis zum Golf II, auch ein Motorrad war dabei. Über 5 Jahre gab es keine Zwischenfälle, die auf den E10-Kraftstoff zurückzuführen wären.

Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere Vorkriegs-Fahrzeuge keine Probleme mit E 10 haben, wie diese auch schon die Einführung des bleifreien Benzins in den 1980er Jahren klaglos hingenommen haben. Das liegt einerseits an der niedrigen Verdichtung der oft robusten Motoren, andererseits aber auch daran, dass die alten Dichtungsmaterialien wie Papier, Kork oder Kupfer im Gegensatz zu modernen Elastomeren nicht vom Alkohol angegriffen werden.

Peugeot 402 an historischer Zapfsäule

Ein paar Eigenarten des Öko-Kraftstoffs gilt es aber zu beachten. Weil Ethanol einen niedrigeren Heizwert als Benzin hat, sorgt bei neueren Motoren (mit Katalysator) die Motorsteuerung dafür, dass etwas mehr E10 eingespritzt wird, was rechnerisch einen Mehrverbrauch von knapp zwei Prozent im Vergleich zu Super 95 (E5) mit sich bringt. Vergasermotoren und Einspritzer ohne Katalysator nehmen diese Korrektur nicht vor, theoretisch könnten sie etwas zu mager laufen. In der Praxis sei das aber nicht der Fall, so die „Oldtimer Markt“-Experten, da die meisten Klassiker ohnehin eher zu fett als zu mager eingestellt seien. Kontrollieren sollte man die korrekte Gemischbildung ohnehin ab und zu, dann könne man die Fördermenge der Einspritzanlage oder die Bedüsung des Vergasers anpassen.

Wenig ratsam ist es, ständig zwischen Sorten mit unterschiedlichen Ethanolkonzentrationen zu wechseln. Ottokraftstoffe greifen Schläuche und Dichtungen aus Elastomeren an und lassen sie aufquellen. Das wird bei der Konstruktion von Kraftstoffsystemen berücksichtigt, doch bei einem Wechsel der Benzinsorte findet ein erneuter Angriff statt. Undichtigkeiten können die Folge sein. Wer sich einmal für E10 entschieden hat, sollte dabei bleiben!

Wird der Oldtimer für längere Zeit stillgelegt, sollte der Tank stets vollständig gefüllt sein. Andernfalls können die Alkoholbestanteile des Kraftstoffs Feuchtigkeit aus der Luft binden, bis der Alkohol mit Wasser gesättigt ist. Dann trennen sich Benzin, Alkohol und Wasser voneinander, das schwerere Wasser setzt sich mit aggressiven Stoffen am Tankboden ab, der Tank kann rosten. Das ist allerdings eine Empfehlung, die grundsätzlich für das Abstellen älterer Autos mit Metalltank gilt.